Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters
zurückhalten und schluchzte fast lautlos vor sich hin.
»Der Tod Ihres Mannes hat Sie durch einige Versicherungen schlagartig zu einer wohlhabenden Frau gemacht. Stimmt das?«
Sie nickte still und tupfte im Gesicht die Rinnsale aus Tränen und Schweiß ab.
»Die Obduktion der Leiche Ihres Mannes hat ergeben, dass ihm ein Unkrautvernichtungsmittel verabreicht worden ist – und Sie waren außer dem Krankenhauspersonal die Einzige, die Zugang zu ihm hatte.«
Dass Matthis einen Haftbefehl wegen Mordes gegen sie aussprach, nahm sie in dem Dammbruch,der nun bei ihr erfolgte, nicht mehr wahr.
Es dauerte eine halbe Stunde, bis der Notarzt das Häufchen Elend aus dem Saal transportiert hatte.
»Das kann ja heiter werden«, brummte der Graf während der Unterbrechung. »Mein Bruder räumt auf. Das habe ich schon kommen sehen, als der ganze Münsterplatz eingeladen war.«
»Haben Sie auch eine Leiche im Keller?«, fragte ich vorsichtig.
»Blödsinn. Mein Bruder war nur nicht mit der Art einverstanden, wie ich unser Erbe handhabe. Da gab es schon mal den einen oder anderen Ausfall. Das ist normal im Geschäft.«
»Was sind bei Ihnen Ausfälle?«
Er sah zum Fenster hinaus und verbarg seine Hände in den Hosentaschen.
»Ausfälle eben, wie sie nun mal vorkommen, wenn man sich widerrechtlich fremdes Eigentum – mein Eigentum – angeeignet hat.« Er wippte auf den Zehenspitzen und fühlte sein Jackett ab. »Schade. Mir wäre jetzt nach einer Zigarre. Hab sie vergessen. Sie haben nicht zufällig ...?«
Ich verneinte.
»Na gut. Dann eben nicht. Kommen Sie. Lassen wir das Desaster über uns ergehen.«
Simonte hatte die ganze Zeit außer Hörweite gestanden und wild gestikulierend telefoniert. Ich war mir sicher, dass er den Kauf des Cafés und des jetzt schuldenfreien Gasthauses der Gersters eingeleitet hatte. Wie es aussah, war er der Einzige, der von Ottos Testament profitierte.
»Saukerl, verfluchter«, murmelte ich für mich.
»Sie meinen doch hoffentlich nicht mich?«, flüsterte der Graf.
»Wir kommen zum abschließenden Teil des Testaments des Otto Este«, verkündete Dr. Lukas. »Ich lese wortwörtlich vor:
›Nun zu dir, mein lieber Bruder Pater Michael Lutz alias Michaele Graf Este, oder wie du dich auch gerade nennst.
Du weißt, dass ich mit deiner Vorgehensweise selten einverstanden war. Du hast mit deiner rücksichtslosen Art, unser Erbe zu beanspruchen, ganze Familien in den Ruin getrieben. Ich halte dich auch für schuldig, durch deine elenden Finanzmanipulationen den Tod des Sparkassendirektors herbeigeführt zu haben. Der Mann stand dir mit seinem Vorhaben im Weg, den Münsterplatz an einen Investor zu verschachern. Das hätte für dich den Kampf ums Erbe gegen einen anonymen Giganten bedeutet. Weiterhin nehme ich es dir übel, dass du mich für einen kranken Trottel gehalten hast, den man benutzen kann, wie es einem passt.
Du hast vergessen, dass die Stiftung auf meinen Namen laufen musste, da du als Mitglied der Gesellschaft Jesu keinen Besitz haben durftest. Somit bestimme ich als Gründer der Stiftung, Vorsitzender des Aufsichtsrates und als zurzeit ältester noch lebender Este als alleinige Erbin des gesamten Vermögens Fräulein Lisa Solvay.‹«
Lukas klappte die Akte zu.
Der Graf saß aufrecht und stierte mit versteinertem Gesicht irgendwohin.
»Ob die Aussage Ihres Bruders strafrechtliche Konsequenzen für Sie haben wird, muss die Staatsanwaltschaft entscheiden.«
Simonte klatschte sich auf die Schenkel und brach in freudiges Gelächter aus.
»So sieht also der große, geheimnisvolle Drahtzieher aus. Ich fasse es nicht. Unser Pater Lutz, dieses Schlitzohr ...«
»Moment«, unterbrach Dr. Lukas seine Freudenausbrüche, »Moment, es gibt noch ein Problem. Aber dazu brauchen wir Sie, Dr. Simonte, nicht mehr.«
Simonte sprang auf, breitete die Arme aus und unterdrückte mühsam das Lachen.
»Ach, komm, Lukas, alter Freund. Das kannst du mir doch nicht antun. Jetzt, wo es so spannend ist. Lass mich hier bleiben.«
Die drei Männer steckten die Köpfe zusammen.
»Von uns aus. Ist sowieso nur eine Formalität.«
Simonte setzte sich wieder. Sein Gesicht verriet die Genugtuung darüber, dass der Münsterplatz nun zu seinen Füßen lag. Lisa würde ihm bis zu ihrer Volljährigkeit keine Probleme bereiten, wenn es ihr denn überhaupt jemals in den Sinn kommen würde.
»Für das Protokoll«, fuhr Dr. Lukas fort, ohne eine Regung über den Freudenausbruch seines Freundes gezeigt zu
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