Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters
verlieren. Hektisch fuchtelte er mit den Armen und rang nach Worten.
»Was wäre die andere?«, drang die Frage widerstrebend aus ihm.
»Ich verhafte Sie wegen des Mordes an Frau Gerda Solvay.«
Einen Moment herrschte absolute Stille im Raum. Der Graf öffnete die Augen, um zu sehen, warum sich nichts tat, und ich entschloss mich, doch nicht den Nachtzug zu nehmen.
Simonte sprang auf und zündete sich eine Zigarette an. Mit langen Schritten durchquerte er den Raum von der Wand zum Fensterund zurück.
»Nein. So nicht«,stieß er in Höhe Alegris aus. »Das war ich nicht. Was sollte ich für ein Motiv haben? Ich sage jetzt kein Wort mehr.«
Er öffnete ein Fenster und warf die Zigarette hinaus, um sich gleich eine neue anzuzünden.
»Sie bleiben am besten gleich da stehen«, wies ihn Lukas zurecht. »Hier ist nämlich Rauchen verboten.«
Der italienische Staatsanwalt schlug seine Unterlagen auf und erhob sich.
»Dottore Simonte. Erlauben Sie mir, Ihnen Ihr Motiv zu erläutern.«
Er trat mit der Mappe, die er wie ein aufgeschlagenes Gebetbuch in der linken Hand hielt, hinter dem Richtertisch hervor.
Jedes seiner folgenden Worte begleitete er mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand, den er wie einen Taktstock auf und ab schwingen ließ.
»Signorina Solvay hatte vom ersten August 1990 bis zum dreißigsten November 1990 eine Stelle in der Firma Ihres Schwiegervaters in Rom. Wenn ich Lisas Alter berücksichtige, dann ist sie in dieser Zeit gezeugt worden. Die Vaterschaftsanalyse dürfte das bestätigen. Nun waren Sie aber in dieser Zeit bereits mit der Tochter des Inhabers verheiratet und hatten mit ihr eine gemeinsame Tochter von zehn Jahren.«
Simonte lehnte sich aus dem Fenster und drehte allen den Rücken zu.
»Ihre Frau«, fuhr Alegri fort, »kam dahinter. Sie drohte Ihnen mit der Öffentlichkeit, was Ihre Karriere sofort zerstört hätte. Nun gab es zwei Möglichkeiten: Entweder Sie verschwanden oder Ihre Frau. So kam es zu diesem tragischen Segelunfall, bei dem bedauerlicherweise auch Ihre Tochter dran glauben musste.«
Simonte drehte sich um. »Das sind doch alles unhaltbare Behauptungen«, wütete er. »Diesen Mist höre ich mir nicht länger an. Es war ein Unfall. Ich habe nichts damit zu tun.«
Alegri hielt ihm ein Papier vor das Gesicht.
»Ich denke, dass Sie noch Ihrer Muttersprache mächtig sind. Hier ist das Testament Ihres verstorbenen Schwiegervaters, der das alles behauptet.«
Simonte lockerte seine Krawatte und löste die oberen Hemdenknöpfe.
»Ich will Ihnen sagen, wie das alles abgelaufen ist«, hakte Matthis ein. »Sie hatten immer noch gute Verbindungen zur Stadt hier, wo Sie mal studiert hatten. Damals lernten Sie den Erzbischof kennen. Er war seinerzeit noch nicht Erzbischof, sondern nur Prälat, aber Verbindungsmann zwischen dem Erzbistum und der Vatikanbank. Gut zu gebrauchen für alles, was nicht an die Öffentlichkeit durfte. Eine Hand wusch die andere, und Sie erzählten ihm von Ihrer Misere. Er versprach das Problem zu lösen, wenn Sie ihm auch einen Gefallen taten.
Nun, er wurde als Anwärter auf das vakante Amt als Erzbischof gehandelt, und Sie sollten Ihren Einfluss für ihn geltend machen. Danach sollten Sie unter dem Dach der Sparkasse, in dessen Vorstand Sie inzwischen berufen worden waren, alles um das Münster herum aufkaufen. Die Erlöse wollten Sie sich teilen. Und so geschah es dann auch, wie die Unterlagen aus Ihrem Büro belegen«, ergänzte Matthis.
Simonte sagte immer noch nichts, aber man merkte, dass es in ihm brodelte.
»Und was hat der Erzbischof Ihnen angeboten?«, versuchte Matthis seinen Faden weiterzuspinnen. »Eine Annullierung der Ehe? Nein, damit wäre Ihnen nicht geholfen gewesen. Eine kleine Hilfe bei der Manipulation eines Segelbootes?«
»Damit hat der Erzbischof nichts zu tun«, fauchte Simonte. »Genauso wenig wie ich. Das war sein Bluthund, Wolter.«
Alegri klappte die Mappe zu. »Das war’s, was ich wissen wollte.«
Es folgte die Bestätigung dessen, was ich schon vermutet hatte.
Der Sparkassendirektor kam den beiden mit seiner eigenen Vorstellung von der Vermarktung des Münsterplatzes in die Quere. Auch hier wusch Simonte seine Finger in Unschuld. Mit dem Tod des Bankers wollte er nichts zu tun haben, wie überhaupt mit keinem Tod von irgendjemandem. Von nun an verweigerte er jede Aussage.
Er blickte wieder zum Fenster hinaus und drehte uns beharrlich den Rücken zu.
»Na schön«, beendete Matthis das Gespräch. »Dr. Simonte,
Weitere Kostenlose Bücher