Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters
haben. »Die Erbin Lisa Solvay ist minderjährig und Vollwaise. Das zuständige Gericht wird ihr einen Vormund zuweisen. So lange wird das Mädchen dem Jesuitenstift in St. Blasien zur Obhut übergeben.«
»St. Blasien?«, flüsterte ich dem Grafen zu, der immer noch keinerlei Regung zeigte. »War sie schon die ganze Zeit dort?«
»Ja. Halten Sie das Maul«, brummte er kaum hörbar zurück.
Simonte fuchtelte wieder mit den Armen und sprang auf.
»Lisa ist keine Vollwaise. Sie hat einen Vater ...«
»So?«, hob Matthis die Augenbrauen beim Zusammenpacken seiner Unterlagen. »Und wer sollte das sein?«
»Ich«, triumphierte Simonte.
Die drei Herren sahen sich kurz an und nahmen wieder Platz.
»Und das können Sie auch beweisen?« Matthis packte seine Mappen wieder aus.
»Natürlich. Ich habe einen DNA-Test machen lassen.«
Ich erinnerte mich an Eibels Aussage, dass er sich dagegen gewehrt hatte, als Gerda von ihm Unterhalt gefordert hatte.
»Und der beweist, dass Sie Lisas Vater sind? Wie wollen Sie das feststellen, dass dann Lisa Ihre Tochter ist. Dazu brauchen Sie den Test des Kindes.«
»Den habe ich«, strahlte Simonte und sah dabei wie ein Kind vor dem Auspacken der Geschenke unter dem Weihnachtsbaum aus. Aus dem eiskalten Geschäftsmann war plötzlich ein habgieriger Junge geworden, dem das Schicksal noch mehr Macht in die Hände spielte.
Lukas und Matthis schauten sich an, und der Graf kniff mir in den Oberschenkel.
»Woher haben Sie den Test des Kindes? Wir können uns nicht vorstellen, dass Sie das Kind so ohne Weiteres dazu bringen konnten, sich ohne Wissen seiner Mutter einem Test zu unterziehen.«
»Gerda – ich meine: Frau Solvay – hat ihn mir gegeben, damit wir uns über einen angemessenen Unterhalt für Mutter und Kind einigen konnten.«
Seine Stimme klang schon weniger überschwänglich, und ich hatte das Gefühl, dass es ihm leidtat, sich so früh als Vater zu erkennen gegeben zu haben.
Matthis nickte. »Na gut. Stellen wir das mal zurück. Mein Kollege ...«, er deutete auf den Mann links von Lukas, der bisher noch kein Wort gesprochen hatte, »möchte Sie dazu etwas fragen.«
»Danke, Signore. Ich bin Generalstaatsanwalt Giovanni Alegri aus Rom, und mein Kollege Oberstaatsanwalt Matthis war so freundlich, mich einzuladen. Sagen Sie, Dottore Simonte, wann und wo soll das Kind gezeugt worden sein?«
Simontes Gesicht verlor seine kindlichen Züge und wechselte zur unverbindlich süffisant lächelnden Maske, die ich an ihm hasste.
»Was soll das hier werden? Eine Gerichtsverhandlung? Nein meine Herren. Schicken Sie mir eine Vorladung. Diese Fragerei ist nicht statthaft.«
Er knöpfte seine Jacke zu und schickte sich an, den Raum zu verlassen.
»Dr. Simonte. Meinen Sie vielleicht diesen Test?«, rief Matthis hinter ihm her, bevor die Tür ins Schloss fiel.
Der Graf saß wie ein leibhaftiger Pater im Beichtstuhl neben mir. Die Hände über dem Bauch gefaltet. Die Augen geschlossen. Den Kopf auf die Brust gesenkt. Nur seine arbeitenden Kaumuskeln verrieten, dass er nicht schlief.
Mir fiel plötzlich ein, dass ich ja schon wieder ohne ein Dach über dem Kopf dastand. Meines Wissens hatte Frau Gerster keine Vertretung. Wer kümmerte sich jetzt um den Gasthof? Ich hatte zwar einen Schlüssel. Aber in einer menschenleeren Pension wollte ich auch nicht bleiben. Schon gar nicht ohne Abendessen und Frühstück.
Ich entschloss mich, nach dem ermüdenden Geplänkel hier meine Sachen zu packen und den Nachtzug nach Hause zu nehmen.
Die Tür schlug zu, und ein kampfbereiter Simonte stürmte zum Richtertisch.
Matthis wedelte mit einem Blatt Papier. »Meinen Sie etwa diese Analyse?«
Er hielt Simonte das Blatt mit zwei Händen hin, um es wieder in der Mappe verschwinden zu lassen.
»Die Hausdurchsuchung bei mir!«, stöhnte der und suchte sich einen nächstgelegenen Stuhl.
»Ja, die Hausdurchsuchung hat es ans Licht gefördert«, wiederholte Matthis.
»Dr. Simonte! Wir beide haben jetzt ein Problem miteinander. Ich klage Sie wegen Einbruchs in der Wohnung von Frau Solvay zwecks Erlangung dieses Dokumentes an. Es gibt einen Augenzeugen, der Sie beobachtet hat, wie Sie in die Wohnung eingedrungen sind und eine Verwüstung hinterlassen haben. Damit würden Sie als vorbestraft gelten, und dann wäre jeder weitere Versuch, als Vater und gesetzlicher Vertreter von Lisa ein gewaltiges Vermögen zu managen, zwecklos. Das wäre die eine Lösung.«
Simonte war kurz davor, seine Fassung zu
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