Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters
Karteikarte hinter dem Rücken. »Tut mir leid. Das darf ich Ihnen nicht sagen. Das sind vertrauliche Informationen.«
Eibel durchsuchte seine Taschen und fand seinen Dienstausweis in der Brieftasche.
Die Bankdame überlegte einen Moment und deutete dann auf eine Spalte auf der Karte.
»Herzlichen Dank. Wir wissen von nichts«, erklärte der Kommissar mit übertriebener Freundlichkeit und steckte den Ausweis jetzt in die Brusttasche.
»Ich lasse Sie allein. Wenn Sie mich brauchen, drücken Sie bitte auf den Knopf neben der Tür«, zog sich die Fau zurück.
»Nun machen Sie schon auf«, brummte er mich wieder mit der gewohnten Unzufriedenheit in der Stimme an.
Ich zog die Kassette aus dem Fach und platzierte sie auf einem Tisch.
Es war ein spannender Moment, jetzt vielleicht die ominösen Dokumente in die Hand zu bekommen, für die es Mord, Sabotage und Totschlag gegeben hatte. Die jetzt im Licht der Öffentlichkeit zeigen konnten, ob sie auch für etwas Positives zu gebrauchen waren. Vielleicht.
Der Inhalt bestand aus einem schwarzen Lederkoffer mit zwei goldenen Schnappschlössern, die mit einer Zahlenkombination gesichert werden konnten. Die Codierungsrädchen zeigten alle »null« an.
»Nun machen Sie schon. Da ist bestimmt keine Bombe drin«, drängte Eibel.
Die Schlösser schnappten auf und gaben eine dicke Dokumentenmappe frei.
Vorsichtig lüftete ich den Einband. Ein Deckblatt aus altem Büttenpapier mit einem Wappen, das ich bisher noch nie gesehen hatte, und einer Malschrift »In Memoriam« führte einen Stapel alter Dokumente an. Es waren einige hundert Blätter. Teils in gutem, aber überwiegend in stark beschädigtem Zustand, dass ich mich nicht traute, sie wie Buchblätter mit dem Daumen aufzufächern.
»Und?«, schaute Eibel mehr oder weniger interessiert zu. »Ist das Zeug so wichtig, dass davon ein Leben abhängen kann?«
Ich zuckte mit den Schultern und blätterte mit spitzen Fingern.
»Kann ich nicht sagen. Entweder ist es auf Latein oder Italienisch. Deutsch scheint nicht dabei zu sein.«
»Prächtig«, knurrte er. »Wieder nur was für Gebildete. Packen Sie das Zeug ein, und dann nichts wie raus hier. Ich lasse es im Büro kopieren. Hier stinkt es aus jedem Safe nach einer verbuddelten Leiche.«
»Ist bei Simonte schon was rausgekommen?«, fragte ich auf der Rückfahrt zum Kommissariat.
Eibel steckte sich an einer Ampel die Pfeife an, und für kurze Zeit verschwand die Außenwelt in einem um die Windschutzscheibe wabernden blauen Nebel.
»Nein. Noch nicht. Wir haben wohl das von Ihnen erwähnte Dokument gefunden. Einen Hinweis auf Lisa nicht, und er bestreitet auch, etwas mit der Entführung zu tun zu haben. Er hat aber sofort Widerspruch gegen die Durchsuchung eingelegt. Das zieht alles in die Länge.«
Damit ich mir die Dokumente näher ansehen konnte, räumte Eibel mir an seinem Schreibtisch eine Ecke frei.
»Sagen Sie bloß, dass Sie die Sprachen auch noch können«, beobachtete er mich über die Brille hinweg.
»Mehr schlecht als recht. Aber langsam komm ich in Übung.«
»Das beruhigt mich«, knurrte er mit der erkalteten Pfeife zwischen den Zähnen.
»Wir haben inzwischen den Versandort der Mail herausgefunden. Ein Internet-Café in Colmar, auf der französischen Seite des Rheins. Clever, der Typ. Bin mal gespannt, was ihm einfällt, um an die Dokumente zu kommen.«
Mit denen beschäftigte ich mich Seite für Seite und versuchte den Inhalt zu verstehen.
Nach mehr als einer Stunde war ich mir sicher: »Das sind nicht die Dokumente, die der Kerl haben will.«
Es waren zwar Beweise für den Stamm der Este, daran gab es keinen Zweifel, aber für die andere Linie des älteren Bruders des Doktoranden, dessen Spur sich 1859 in Italien verloren hatte. Demnach war diese Linie nach dem Tod des Bruders nur noch in weiblicher Erbfolge geführt worden und ihr Adel im Laufe der Zeit herabgesunken. Simontes verstorbene Frau war die Letzte, die noch in direkter Linie aus diesem Geschlecht stammte.
Der Professor hatte recht gehabt. Sie war keine Adlige mehr gewesen. Höchstens eine Bürgerliche mit dem Zusatz »von«. Und Enrico war ihr Halbbruder, der von irgendwoher mit eingebracht worden war.
»Verstehe kein Wort«, murmelte Eibel. »Was soll das?«
»Diese Unterlagen sind eigentlich für niemanden von Wert. Sie beweisen nur, dass etwas nicht mehr zu beweisen ist. Aber Otto wollte mir damit was sagen.«
»Oder der Pater«, grunzte Eibel und trommelte mit den Fingern
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