Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters
kann ich für Sie tun?«
Er ließ sich in den Besuchersessel fallen und bediente sich an den Pralinen, die Margot in einer Glasschüssel zu einer Pyramide geschichtet hatte.
Ich schob ihm Lisas Bild und die Forderung des Erpressers hin.
Abwechselnd betrachtete er das Foto, dann die Forderung und spielte dabei mit seinen Bartlocken.
»Schöner Mist«, brummte er nach der fünften Praline. »Ich muss Ihnen dazu was erklären.«
Bedächtig, jedes Wort wählend, erzählte er die Geschichte seiner Familie.
Otto und er waren die direkten Nachfahren des kämpferischen Jesuitenmönches, aus dessen Schmähschrift der Professor die entscheidenden Seiten entwendet hatte. Und diese hatte jetzt vermutlich die Polizei bei Simonte gefunden.
Ihr Vater war der Sohn gewesen, der aus der Ehe der Tochter der kämpferischen Witwe hervorgegangen war.
Dem Grafen waren nach dem Ersten Weltkrieg der Titel und die italienischen Liegenschaften aberkannt worden,weil er auf der Seite der feindlichen Habsburger gekämpft hatte.
Otto hatte bereits in sehr jungen Jahren als Tagelöhner auf den ehemaligen Gütern der Familie zu deren Lebensunterhalt beitragen müssen, bis ihn seine beginnende Krankheit ein paar Jahre nach dem zweiten Weltkrieg für die Gutsherren wertlos machte. Er fand Unterkunft und Pflege in einem Jesuitenstift. Pater Lutz ging achtzehn Jahre später aus der zweiten Ehe des Grafen hervor. Da auch seine Zukunft nicht rosig war, wurde er, genau wie sein Vorfahr, zu den Jesuiten in die Ausbildung gesteckt, wo er sich als junger Mann bald einen guten Ruf erwarb und als Gastdozent Vorträge an allen Universitäten Europas halten durfte.
»Und hier begann mein Ehrgeiz, alles zu versuchen, unser ehemaliges Eigentum zurückzubekommen. Meine Reisen erlaubten es mir, in jedem Archiv Dokumente zusammeln. In Italien ist es mir nach langen Streitigkeiten gelungen, wieder einen guten Teil herauszukriegen. Ich gründete eine Stiftung, der unter anderem das Gelände gehört, auf dem Otto sein Leben genießen konnte, wie er es wollte.«
»Und das wollen Sie mit dem Münster hier genauso machen?«
»Nein«, kam es scharf. »Ich will nur verhindern, dass sich hier gewisse Interessensgruppen breitmachen.«
»Kennen Sie die denn, und wie wollen Sie das anstellen?«
Er legte die Hände wie zum Gebet zusammen und stützte sein Kinn auf die Fingerspitzen. »Das ist noch zu früh. Erst einmal müssen wir das Kind freibekommen. Geben Sie diesem Kerl die Unterlagen, unter einer Bedingung ...«
Ich zog die Augenbrauen hoch. In dieser Situation war eine Bedingung das Letzte, was ich gebrauchen konnte.
» ... Lisa und das Testament meines Bruders im Original.«
»Wie bitte?«
»Sie haben richtig gehört«, schmunzelte er. »Mein Bruder war mit einer Art Babyfon ausgestattet, damit nicht jemand rund um die Uhr bei ihm sein musste. Da konnte ich mithören, was er Ihnen gesagt hat, und da Sie und der Kommissar nichts gefunden haben, kann es nur dieser Mensch haben.«
»Und wer ist dieser Mensch?«, fragte ich zweifelnd.
Er schob sich eine Praline in den Mund und schmatzte. »Auf jeden Fall einer zu viel. Holen Sie sich die Unterlagen. Den Schlüssel zum Safe haben Sie. Ich sage der Sparkasse und dem Kommissar Bescheid.« Er stemmte sich aus dem Sessel und massierte sich die Halsmuskeln. »Schweine zu fangen ist hier wie da nicht leicht ...«
»Moment, Pater Este«, stoppte ich sein Vorhaben, sich zu verabschieden ...
»Lutz. Ich bin Pater Lutz. Was glauben Sie, warum der Orden einem die Möglichkeit gibt, den bürgerlichen Namen zu ändern? Das hat schon seinen Sinn.«
»Also wissen auch der Erzbischof und Simonte nicht, wer Sie wirklich sind?«
Er steckte sich wieder eine Praline in den Mund. »Außer Ihnen kennt hier niemand meine wirkliche Herkunft. Was soll die Frage? Sehen Sie lieber zu, dass Sie Lisa freibekommen.«
»Warum stopfen Sie mich dann mit Informationen voll, die mir letztendlich nichts nützen?«, wurde ich jetzt ungehalten.
Lutz setzte ein schelmisches Gesicht auf und steckte die Hände hinter den Latz der Hose.
»Sie sind Journalist und wollen eine Story. Das ist Ihr gutes Recht. Die sollen Sie auch haben. Aber geben Sie sich im Augenblick mit dem zufrieden, was man Ihnen sagen will. Niemand hat Sie gebeten, dass Sie Ihre Nase in alles hineinstecken. Verhalten Sie sich also wie ein stiller Beobachter und nicht wie ein Bluthund. Sie sind und bleiben hier ein Fremder. Beschränken Sie sich darauf, zum Erpresser Kontakt
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