Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters
auf dem Tisch. »Der war eine Stunde vor uns am Safe.«
Was war das denn jetzt? Es sollte nur einen Schlüssel zum Bankfach geben. Und den hatte ich.
»Das sollte Ihnen zu denken geben«, konstatierte Eibel.
»Was mir mehr Gedanken macht, ist warum war er, nachdem er mich gebeten hat Sie zu beauf ..., ich meine, zu begleiten, vor uns am Schließfach?«
»Sagen Sie’s mir.«
»Er hat die Unterlagen ausgetauscht«, war meine Erklärung.
»Und wozu?«
Er knirschte mit den Zähnen und trommelte mit einem Bleistift einen stakkatohaften Rhythmus auf der Schreibtischkante.
»Sie nerven«, versuchte ich das Geräusch zu unterbinden, um mich auf ein Gespräch mit meinem Kobold zu konzentrieren.
Ich ließ Lisas Foto mit der Zeitung auf mich einwirken. Hier lag die Lösung und wartete darauf, erkannt zu werden.
»Was macht Lisa für ein Gesicht?«, hielt ich das Bild Eibel hin.
Er studierte eine Minute den Farbausdruck und lächelte. »Sie sieht nicht so verängstigt aus, wie man es bei einer Entführung gewöhnt ist.«
»Genau. Sie kennt den Entführer und misstraut ihm nicht. Wer ist die einzige noch lebende männliche Bezugsperson, die sie näher kennt?«
Eibel lehnte sich zurück und suchte meinen Blick. »Das Geld für Ihr Studium wahr wohl doch nicht ganz zum Fenster hinausgeworfen. Hätten Sie was Anständiges gelernt, könnten Sie heute Polizeipräsident sein. Hartmann!«, brüllte er ansatzlos nach seinem Kollegen. »Suchen Sie mir alles über den Schwager von Simonte raus. Diesen Enrico. Was weiß ich, wie der mit Familiennamen heißt. Der Kerl, der mal auf dem Münster Café war. Sie wissen schon.«
»Warum wurde der Unfall des Professors nicht weiter untersucht?«, nutzte ich die Pause.
Er kratzte die Pfeife aus und versuchte sie mit einem längst verbrauchten Putzer zu säubern.
»Weiß auch nicht. Die Staatsanwaltschaft ist mir keine Rechenschaft schuldig. Es hing wahrscheinlich mit dem Straßenbahnführer zusammen. Der Kerl war nicht das erste Mal betrunken. Da haben die Verkehrsbetriebe, bei denen der Oberbürgermeister im Vorstand ist, wohl Angst um ihr Image gehabt. Lieber hat man den Unglücksfahrer aus dem Verkehr gezogen und in eine Entziehung gesteckt, als eine Untersuchung zu riskieren. Die da oben spielen ihr eigenes Spielchen. Ich rege mich darüber nicht mehr auf. In zwei Monaten gehe ich in Pension, und dann können die mich alle mal. Noch irgendeine nicht zu beantwortende Frage?«
Er stopfte sich die Pfeife, zündete sie an und blies eine dicke Wolke an die Decke.
»Laut Betriebsvereinbarung ist das Rauchen in den Büros zwar untersagt, aber ich bin zu alt, um noch jeden Mist mitzumachen. Also, Sie wollen doch noch was wissen ...«
»Ja. Wie ist der Erkenntnisstand über den angeblichen Betrug durch den Sparkassendirektor an Simonte?«
Eibel kratzte sich hinter dem Ohr und zog ein missmutiges Gesicht.
»Das wüsste ich auch ganz gerne. Aber die Bank hat keine offiziellen Stellen eingeschaltet. Die anonyme Anzeige ist nur bei der Bankenaufsicht eingegangen. Dass es da überhaupt was gegeben haben soll, haben wir und meine Kollegen vom Wirtschaftsdezernat auch nur aus der Presse erfahren. Und die beruft sich auf einen Informanten, den es zu schützen gilt. Aber das kennen Sie ja. Die Bank selbst verweigert jede Auskunft. War’s das?«
»Nein. Ich verstehe Ihr Verhalten nicht. Sie tun so, als ob es sich bei dem Tod des Bankers, von Frau Solvay und der Entführung von Lisa um eine Bagatellsache handelt.«
Diese als Aussage in den Raum gestellte Frage ließ mich nicht los, seitdem ich dem Kommissar das erste Mal begegnet war. Es mochte an meiner Ungeduld liegen oder an der Abgeklärtheit eines vor der Pensionierung stehenden Beamten, aber um die Fälle zu klären, stellte ich mir bei drei Kapitalverbrechen etwas mehr Action vor.
Eibel verzog den Mund zu einem Grinsen und lehnte sich im Sessel zurück.
»Sie sehen zu viel Krimis ...«, brummte er. »In unserem Job schreibt das Leben das Drehbuch. Wir sind kein Verlag mit Druckterminen, Satz- und Umbruchzeiten oder wie man das bei euch sagt. Tot ist tot. Die Leiche läuft uns nicht mehr davon. Der Mörder taucht in aller Regel erst einmal weg und kann in den allerseltensten Fällen innerhalb von neunzig Minuten Sendezeit gefunden werden. Also keine preußische Hast.«
Er kramte in der Schreibtischschublade nach einer neuen Pfeife und blies die verbliebenen Tabakreste in den Raum.
»Bei einer Entführung ist das ein bisschen
Weitere Kostenlose Bücher