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Im Schatten des Palazzo Farnese

Im Schatten des Palazzo Farnese

Titel: Im Schatten des Palazzo Farnese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Bischof, der sie offenbar gut gekannt hat, und ein junger Mann, der einen Kaisernamen trägt und dem es fast so dreckig ging wie mir.«
    Valence schloß die Augen. Sein Körper war gerade in einen Haufen unkontrollierbarer Stücke zerschellt. Er spürte, wie sein Herz in den Beinen und im Nacken pochte, und dieses Dröhnen machte ihn wahnsinnig.
    »Die Adresse!« rief er, »schnell, die Adresse!«
    »Ziemlich weit oben auf der Via della Conciliazione, wenn man auf den Petersdom zuläuft, links.«
    Valence ließ ihn sitzen und stürzte hinaus. Er konnte jetzt kein Taxi nehmen. Die Vorstellung, mit jemandem sprechen zu müssen, eine Adresse angeben, Geld hervorholen, ruhig auf der Rückbank eines Wagens sitzen zu müssen, erschien ihm unerträglich. Er ging zu Fuß und rannte, wenn er konnte. Warum, ja warum nur hatte er sie nicht zurückbegleitet? Von seinem Hotel bis zum »Garibaldi« hatte sie direkt über die Engelsbrücke, dann die Quais und schließlich die Via della Conciliazione entlanggehen müssen. Um drei Uhr morgens, als er gerade wieder eingeschlafen war, war sie langsam die Straße hochgegangen, leicht gebeugt, mit den Armen die Schöße ihres schwarzenMantels zurückhaltend. Gewiß hatte sie nachgedacht, während sie mit etwas unsicheren, ausholenden Schritten lief, ein bißchen betrunken, ein bißchen abwesend. Und man hatte sie getötet.
    Schon von weitem sah er die Gruppe von Polizisten, die eine Straßenseite abgesperrt hatten. Er rannte. In seiner Jackettasche hatte er den Bericht, den er am selben Morgen in einen Umschlag gesteckt hatte. ›Was für ein Blödsinn, mein armer Richard! Verstehst du denn nichts? Merkst du denn nichts?‹ Was hätte er denn merken sollen? Was?
    Als Valence bei Ruggieri ankam, hörte dieser gerade einem Zeugen zu. Die Leiche lag unter einer Plane, und zehn Bullen standen um sie herum. Ruggieri sah ihn näher kommen.
    »Sie sind außer Atem, Monsieur Valence«, bemerkte er. »Man hat mir gesagt, daß Sie mich gesucht haben. Tut mir leid, daß ich Sie nicht angerufen habe, aber Sie verstehen, das hier … Ich hatte wirklich keine Zeit. Das ändert alles. Ich befürchte, wir waren von Anfang an auf dem falschen Weg.«
    Ruggieri wandte sich wieder dem wartenden Zeugen zu. Er war schweißgebadet.
    Valence näherte sich der abgedeckten Leiche, bückte sich und stützte beide Hände aufs Pflaster. Der Boden schien ihm nicht stabil. Einer der Polizisten wollte ihn zurückdrängen.
    »Lassen Sie ihn«, meinte Ruggieri. »Er darf es sehen. Ich warne Sie, Monsieur Valence, es ist schwer zu ertragen, aber wenn Sie unbedingt wollen …«
    Valence atmete heftig und gab dem Polizisten ein Zeichen.
    »Heben Sie die Plane hoch«, sagte er leise.
    Der Beamte verzog das Gesicht, stieg über die Leicheund schob die Plane zurück. Ruggieri achtete auf Valence. Seit dem Morgen hatte es bereits drei Ohnmachten gegeben, und Valences fahles Gesicht verhieß nichts Gutes. Aber Valence wurde nicht ohnmächtig. Im Gegenteil, er schien sich zu entspannen.
    »Maria Verdi«, murmelte er und erhob sich schwerfällig. »Maria Verdi, das Heilige-Gewissen-der-geweihten-Archive der Vaticana.«
    »Wußten Sie das nicht?«
    Valence machte eine Bewegung, die besagte, er wolle nichts mehr hören. Er streckte die Hand aus, um die Plane wieder über das regelmäßige, verkniffene Gesicht der Italienerin zu schlagen, und erst jetzt begann diese Hand heftig zu zittern.
    »Sie sind müde, Monsieur Valence«, sagte Ruggieri. »Sie können gehen und mich in meinem Büro erwarten, ich bin hier fast fertig.«
    Eine Bahre kam. Die Leiche wurde hochgehoben, und die Wagentüren schlugen hinter ihr zu. Valence wandte sich zum Gehen.
    Das Hotel »Garibaldi« war nur einen Steinwurf entfernt. Laura saß auf einem hohen Hocker an der Bar und sah aus, als schere sie sich einen feuchten Dreck um ihre gesamte Umgebung. Valence setzte sich neben sie und bestellte einen Whisky. Er zitterte noch immer leicht. Laura sah ihn an.
    »Ich möchte allein sein«, erklärte sie.
    Valence biß sich auf die Lippen. Es war besser, zu warten, bis er einen Schluck Whisky getrunken hatte, bevor er redete, um ihr gegenüber ebenso entspannt sein zu können wie in der vergangenen Nacht.
    »Heute morgen ist etwas passiert«, sagte er schließlich und stellte sein Glas ab.
    »Mein armer Richard, wenn du wüßtest, wie egal mir das ist.«
    »Jemand hat Maria Verdi, dem Gewissen der Vaticana, morgens um drei in der Via della Conciliazione den Hals

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