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Im Schatten des Palazzo Farnese

Im Schatten des Palazzo Farnese

Titel: Im Schatten des Palazzo Farnese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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durchgeschnitten.«
    »Was hat man der armen Frau vorgeworfen?«
    »Ich weiß es noch nicht. Kanntest du sie?«
    »Natürlich. Flüchtig. Seitdem ich um die Vaticana rumschleiche. Maria war schon da, als Henri noch studierte. Die Jungen erzählen mir oft von ihr.«
    »Wo warst du vergangene Nacht um drei?«
    »Fängst du schon wieder an? Eröffnest du ein neues Kapitel?«
    »Du bist gegen halb drei bei mir weggegangen. Man braucht eine Viertelstunde bis zur Via della Conciliazione, wenn man nüchtern ist, und eine halbe, wenn man betrunken ist.«
    »Schreibst du heute nicht? Machst du dir heute keine Notizen? Glaubst du, ich rede einfach so ins Leere, ohne jemanden, der meine Sätze festhält? Du träumst, Richard. Los, geh, ich habe keine Lust mehr, dich zu sehen.«
    Valence rührte sich nicht.
    »Dann gehe eben ich«, sagte Laura und ließ sich vom Hocker gleiten.
    Sie durchquerte die Bar.
    »Übrigens, Richard«, erklärte sie von der Tür aus, ohne sich umzudrehen, »ich bin letzte Nacht nicht durch die Conciliazione gegangen. Arrangier dich damit. Versuch herauszufinden, ob ich lüge oder nicht. Das wird dich beschäftigen.«

25
    Valence ging zurück ins Hotel, um sich vollständig umzuziehen. Er zog den Valhubert-Bericht aus dem Jackett und warf ihn auf den Tisch. Mit dem neuen Mord mußte er sich das alles noch einmal vornehmen. In ein paar Stunden waren die Dinge erheblich komplizierter geworden, und das Schlimmste war, er fühlte sich in diesem Augenblick unfähig, irgend etwas zu verstehen. Seit dem Aufstehen hatten die Ereignisse ihn von Ort zu Ort getrieben, ohne daß er seinen Körper hätte kontrollieren können. Der Zug nach Mailand fuhr in zwei Stunden, die Rettung war in Reichweite. Noch hatte er Zeit, alles aufzugeben, aber schon diese Entscheidung schien ihm zu kompliziert. Er freute sich beinahe, als er Tiberius erneut auf seinem Posten vor dem Hoteleingang entdeckte. So wäre er auf dem Weg zu Ruggieris Büro nicht allein. Ja, es schien ihm beinahe natürlich, daß er ihn mit so hartnäckiger Treue verfolgte.
    »Du siehst nicht aus, als ginge es dir gut«, bemerkte Valence.
    »Du auch nicht«, erwiderte Tiberius.
    Valence steckte den Hieb mit einer gewissen Steifheit ein. Aber er fühlte sich zu elend, um Tiberius in die Schranken zu weisen.
    »Was treibt dich dazu, mich zu duzen?« fragte er nur.
    »Ehrenbezeigung der Fürsten für die im Sterben Liegenden«, kommentierte Tiberius.
    »Das ist ja heiter.«
    »So traurig ist es gar nicht. Ich war gestern abend ja auch tot.«
    »Ach ja?«
    »Claudius und Nero haben bis zwei Uhr morgens Totenwache bei mir gehalten. Dann ist Nero vor Müdigkeit wie ein Stein auf den Bürgersteig gefallen, und Claudius hat mir nahegelegt, es wäre jetzt vielleicht genug. Daraufhin sind die beiden schlafen gegangen, und ich bin ein bißchen herumgelaufen, bevor ich nach Hause ging. Seitdem Lorenzo mich von der Ermordung des Heiligen-Gewissens informiert hat, geht es erheblich besser, auch wenn ich Maria mochte und mir nach dem Anblick, wie sie ausgebreitet da lag, für zwei Stunden speiübel war. Und wenn es mir besser geht, geht es Ihnen logischerweise weniger gut.«
    »Das erklär mir mal.«
    »Laura hat das Heilige-Gewissen nicht umgebracht, das ergäbe keinen Sinn. Die beiden Frauen hatten keinerlei Beziehung zueinander. Was hätte das Heilige-Gewissen also Bedrohliches über Laura wissen können? Nichts. Das Heilige-Gewissen weiß ohnehin nicht viel, von den Büchern der Vaticana einmal abgesehen. Also kommen wir auf die Ausgangshypothese zurück, auf den Michelangelo. Und damit entzieht sich Laura Ihnen. Sie entzieht sich Ihnen, und ich atme durch. Jetzt werden Sie erneut ganz schön rennen müssen, um sie einzuholen. Sie werden ganz schön nachdenken müssen.«
    »Es gelingt mir nicht, nachzudenken, Tiberius. Gehen wir ein Stück.«
    »Es geht Ihnen nicht gut, das freut mich. Der Mord kommt Ihnen ungelegen. Er ist unfaßbar und abscheulich, nicht wahr?«
    »Ich hatte zunächst geglaubt, Laura sei die Kehle durchgeschnitten worden.«
    »Waren Sie enttäuscht?«
    »Nein. Erleichtert. Deshalb hatte ich noch gar keine Zeit, über die Bedeutung dieses neuen Mordes nachzudenken. Ich habe es nur geschafft, mich davon zu überzeugen, daß Laura Valhubert noch lebt.«
    »Lieben Sie sie noch?« fragte Tiberius und verzog das Gesicht.
    Valence blieb stehen und musterte Tiberius, der mit im Rücken verschränkten Armen und unschuldigem Gesicht weit in die Ferne

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