Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten des Palazzo Farnese

Im Schatten des Palazzo Farnese

Titel: Im Schatten des Palazzo Farnese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
blickte.
    »Hat sie es dir erzählt?«
    Tiberius nickte. Valence setzte sich wieder in Bewegung.
    »Also«, fuhr Tiberius fort, »Sie haben mir nicht geantwortet. Lieben Sie sie noch?«
    Valence schwieg erneut. Er war es nicht gewohnt, derart schonungslos befragt zu werden.
    »Nein«, sagte er.
    »Um so besser«, bemerkte Tiberius.
    »Warum?«
    Tiberius sah ihn an.
    »Schließlich waren Sie am Abend von Henris Tod in Italien, nicht? Mailand ist nicht so weit von Rom. Und wenn Sie Laura noch immer liebten … Aber niemand hat daran gedacht, Sie zu fragen, was Sie an dem Abend getan haben.«
    »Du bist blöd«, sagte Valence. »Ich bin mit Ruggieri verabredet, ich verlasse dich jetzt.«
    »Ich warte in jedem Fall draußen auf Sie.«
    Die Tür zum Büro des Inspektors stand offen. Valence trat ein und setzte sich.
    »Nun, Monsieur Valence«, begrüßte ihn Ruggieri, »haben Sie sich von Ihrer Aufregung erholt?«
    Valence hob rasch die Augen. Ruggieri reagierte sofort mit einer beruhigenden Geste.
    »Ich bitte Sie«, erklärte er, »ich wollte Sie nicht kränken. Es lohnt sich nicht, beim kleinsten Funken Feuer zu fangen.«
    Valence streckte die Beine aus.
    »Wie hat man die Frau mitten in der Nacht aus dem Haus locken können, um ihr die Kehle durchzuschneiden?« fragte er.
    »Man hat sie nicht aus dem Haus gelockt. Wer Maria Verdi näher stand, kannte ihre Macken. Sie erzählte sie einem mit dem größtem Vergnügen. Ein- oder zweimal in der Woche ging sie, wenn sie nachts nicht schlafen konnte, zu der ganz in der Nähe ihrer Wohnung gelegenen Via della Conciliazione, um sich vor den Petersdom zu stellen, an den sie ein stummes Gebet richtete. Das war eine alte Angewohnheit von ihr, die sie angenommen hatte, seitdem sie einmal des Nachts ›etwas Weißes‹ gesehen zu haben meinte, das die Kuppel unserer großen Kirche erleuchtete.«
    »Nehmen wir das einmal an. Wer wußte davon?«
    »Alle, die in der Bibliothek regelmäßig mit ihr zu tun hatten, und alle, die sich die Geschichte lachend weitererzählten, zum Beispiel auch die Benutzer, denke ich. Es war sehr viel leichter, sie auf der Straße zu ermorden als bei ihr zu Hause. Niemand war Zeuge des Verbrechens. Der Mörder muß sie von hinten gepackt, ihr die Arme im Rücken festgehalten haben und mit einem einzigen Schnitt über ihre Kehle gefahren sein, ohne ein zweites Mal anzusetzen. Man braucht eine verdammte Kraft oder eine verdammte Entschlossenheit für einen solchen Coup. Danach wurde ihre Leiche unter einen parkenden Lieferwagen geschoben. Deshalb hat man sie heute morgen erst recht spät gefunden.«
    »Wie ist Ihre Meinung?«
    »Einfach. Maria Verdi hat nichts mit den internen Dramender Familie Valhubert zu tun. Gewiß kannte sie Gabriella, wie alle im Vatikan. Aber da hörten ihre Beziehungen zu den Valhuberts auch schon auf. Folglich ist die Chance groß, daß Maria Verdi wegen der Bibliothek umgebracht wurde. Sie war diejenige, die die Leihzettel ausstellte und über die Archive wachte.«
    »Wollen Sie damit sagen, daß wir wieder auf den Michelangelo zurückkommen?«
    »Nach einem langen Umweg, ja. Es ist anzunehmen, daß der von Henri Valhubert für seine Reise angeführte Grund tatsächlich der richtige war, der Dieb sich bedrängt fühlte und sich Valhubert rasch vom Halse geschafft hat. Alles deutet jetzt darauf hin, daß Maria Verdi, seit dem Mord gewarnt, in bezug auf die Diebstähle irgend etwas entdeckt und sich, vermutlich aus Dummheit, verraten hat. Alle sind sich einig, daß sie nicht sehr helle war. Ich neige zu der Annahme, daß der Dieb ein Bibliotheksbenutzer ist, den sie gut kannte, ja, den sie mochte. Bestimmt hat sie versucht, mit ihm zu reden, um ihn zur Vernunft zu bringen, und zwar mit naiver Vertrauensseligkeit, was ihr Schicksal besiegelte.«
    »Könnte uns in diesem Falle nicht noch einmal der Bischof behilflich sein?«
    »Ich habe ihn gleich nach der Entdeckung von Maria Verdis Leiche anrufen lassen. Ich habe versucht, ihn zum Reden zu bringen, aber er bleibt verschlossen. Vielleicht hatte Maria Verdi ihm etwas anvertraut, vielleicht nicht. Einstweilen schweigt er, er sagt, er wisse nicht, was er sagen solle. Wenn er weiter auf eigene Faust handelt, gerät er noch in Gefahr. Wenn ich recht informiert bin, war er gestern in Ihrem Hotel, um Sie dringend zu sprechen, oder?«
    »Sie sind gut informiert, aber ich habe ihn nicht empfangen. Ich habe ihn am Abend wiedergesehen, aber da hatte er bereits beschlossen, alles für sich zu

Weitere Kostenlose Bücher