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Im Schatten des Palazzo Farnese

Im Schatten des Palazzo Farnese

Titel: Im Schatten des Palazzo Farnese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Beziehungen. Du rauchst ja auch gerade mit der linken Hand. Wir ziehen also zwei offensichtliche Schlüsse daraus: daß Inspektor Ruggieri ein Idiot ist, der Beweis: er versucht zu denken, und daß dein Besucher ein Rechtshänder ist, der sich seiner rechten Hand nicht bedienen wollte. Folglich hatte er einen zwingenden Grund, die rechte Hand still zu halten. Da das unselige Individuum versuchte, seine Identität zu verbergen, ist es leicht, daraus zu schließen, daß die rechte Hand ihn auf die eine oder andere Weise verraten hätte. Der Rest ergibt sich von allein. Das alles ist von beklagenswerter Schlichtheit.«
    »Du willst damit sagen, er hatte ein aufschlußreiches Kennzeichen an der Hand?« fragte Claudius. »Eine Verletzung, zum Beispiel?«
    »Claudius, Herzchen, du machst mir Schande. Die Totenwache hat dich erschöpft. Kann eine Verletzung ein aufschlußreiches Kennzeichen sein? Keinesfalls. Wenn du nachher einem Typen begegnest, dem zwei Finger fehlen, weißtdu deswegen noch nicht, wer er ist. Vielleicht sagst du: ›Ach, der Typ arbeitet in einer Wurstfabrik, ihm sind die Finger in die Maschine gekommen, das ist aber traurig.‹ Oder wenn du einen in der Krone hast, dann sagst du: ›Ach, dem Typen sind zwei Finger abgefressen worden.‹ Aber weiter geht das nicht. Die Identität des Typen wirst du daraus nicht herleiten können. Wenn der Typ eine gelbe Hand mit blauen Karos hat, wäre es dasselbe.«
    »Stimmt«, sagte Tiberius. »Und welche Art Identität kann man an der rechten Hand tragen?«
    »Da gibt es nicht viele Lösungen, Tiberius. In dem Fall, der dich beschäftigt, gibt es nur eine einzige. Deshalb habe ich sie auch gefunden – eben weil ich nicht denke. Wenn du mir den Rücken einölst, erzähle ich euch von dem nebensächlichen Ereignis, das vorhin beim Verwüsteten-Heiligen-Gewissen stattgefunden hat.«
    »Was ist das für ein widerliches Öl?«
    »Etwas, das ich gerade erfunden habe, kümmere dich nicht drum. Öl mich ein. Unser Freund Bischof Lorenzo unterhält einen heiklen Handel mit dem Heiligen-Gewissen-des-Sieges-über-die-Begierden-des-Fleisches. Als er die Umstände ihres plötzlichen Todes erfährt, erinnert er sich in großer Bedrängnis der anstößigen Briefchen, die er ihr mit Vergnügen zukommen ließ. Zu Recht aufgeschreckt, begibt sich Liebling Lorenzo rasch zu ihr, bevor die Polizei diese Bagatellen zu fassen bekommt, die ihn seine Kardinalsernennung kosten könnten. Er zieht einen alten Zivilanzug an, den er noch aus seiner Jugend aufbewahrt, daher das altmodische Aussehen, das der brave Nachbar zu Recht bemerkte, setzt die Brille auf, die er nur ab und zu trägt, um unleserliche Heilige Schriften zu entziffern, und bricht die Siegel auf, wobei er den Himmel um Hilfe anfleht. Nun ist es aber so, daß der Himmel in letzter Zeit von etwas mürrischer Laune ist, nicht gerade ein Glücksfall, und Lorenzowird durch die Ankunft des dummen, rechtschaffenen Nachbarn gestört. Mit zwei Sätzen wird er den Bürger los, dieser aber streckt ihm zum Abschied die Hand hin. Ihr beide wißt so gut wie ich, daß Lorenzo den Amethysten, den er am rechten Ringfinger trägt, nicht mehr abziehen kann. Mit der Zeit hat sich der heilige Ring in seinen Finger eingegraben, deshalb habe ich ihn auch nie anprobieren können. Wenn er seine beringte Hand hinstreckt, entlarvt er sich ebenso sicher als Bischof, wie wenn ihm der Krummstab aus der Tasche ragen würde. Angesichts dieser unvorhersehbaren Situation zögert er kurz und streckt dann die linke Hand hin. Dann geht er, ohne daß man weiß, ob er das Gesuchte bei sich hat oder nicht. Aber eins ist sicher: Wir werden uns mächtig amüsieren, wenn die Polizei es in die Hände kriegt.«
    »Herrlich«, murmelte Tiberius, »einfach herrlich.«
    Er hörte auf, Nero mit dem Öl einzureiben, und dachte eine Weile nach.
    »Die Beziehungen von Monsignore und dem Heiligen-Gewissen vermutest du nur?«
    »Es ist der einzige Teil, den ich erfinde. Den Rest würde ich beschwören.«
    »Du bist genial, Drusus Nero«, sagte Tiberius und schnappte sich seine Jacke. »Bis später, Jungs.«
    »Er ist schon wieder weg? Einfach so?« fragte Claudius.
    »Er ist weg, um in seinem See zu baden, wenn du meine Meinung hören willst«, sagte Nero. »Das kann dauern. Wir können nur noch an dem Ballett der apathischen Kröte arbeiten.«

28
    Als Tiberius schon vor Valences Hotel ankam, versuchte er noch immer, das stinkende Fett, das Nero zusammengebraut hatte, von den

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