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Im Schatten des Palazzo Farnese

Im Schatten des Palazzo Farnese

Titel: Im Schatten des Palazzo Farnese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Hauseingang. Aus einem Fenster im ersten Stock rief ihn Ruggieri.
    »Monsieur Valence, kommen Sie bitte herauf! Das müssen Sie sich ansehen, bevor wir aufräumen!«
    »Was gibt’s denn so Außergewöhnliches?« fragte Valence und sah nach oben.
    »Als wir ankamen, waren die Siegel aufgebrochen. Die Wohnung ist verwüstet.«
    »Scheiße.«
    Valence wies auf seine Uhr und machte Tiberius damit von weitem deutlich, er werde länger brauchen als vorgesehen. Tiberius gab ihm zu verstehen, das sei nicht schlimm, er danke aber für den Hinweis. Valence ging zur Wohnung hinauf. Das Bett war umgeworfen worden, die Bilder und religiösen Kalender waren von den Haken gerissen,die Schubladen ausgeleert und die chinesischen Porzellanvasen umgestürzt.
    Valence ging durch den Raum, ohne etwas anzufassen. Ruggieri war wütend.
    »Was für eine Dreistigkeit, die Siegel aufzubrechen – können Sie sich so etwas vorstellen? Der Typ hat zehn Minuten lang hier rumgewühlt, bis der Nachbar dazugekommen ist. Zehn Minuten, Zeit genug, um massenweise Dinge zu finden. Das Ganze ist fast zwei Stunden her.«
    »Woher weiß man, daß es sich um einen Mann handelt?«
    »Der Nachbar hat ihn gesehen. Er hat sogar mit ihm gesprochen.«
    »Perfekt.«
    »Nicht ganz. Über das Gepolter verwundert, das nicht aufhörte, hat der Nachbar am Ende beschlossen, nachzusehen. Als er am Treppenabsatz ankam, machte gerade ein Mann die Tür zu, weshalb er nicht gesehen hat, in welchem Zustand die Wohnung war. Hier seine Aussage:
    »Der Mann hat mir gesagt, er sei von der Polizei, seine Kollegen würden gleich kommen, meine Nachbarin sei heute morgen ermordet worden. Das wußte ich bereits. Ich habe kein Mißtrauen geschöpft. Wir haben noch eine Minute über die nächtlichen Spaziergänge von Signora Verdi zu Sankt Peter gesprochen, dann ist er gegangen. Vielleicht ist er groß, oder vielleicht auch nicht, auf jeden Fall altmodisch und nicht jung. Er trägt eine Brille. Eigentlich habe ich nicht aufgepaßt. Für mich ähneln sich alle Bullen. Ich kann Ihnen aber sagen, daß er Linkshänder ist. Als wir uns die Hand gegeben haben, gab er mir die linke. Man weiß nie, wie man es anstellen soll, wenn man einem Linkshänder die Hand gibt.«
    Frage: Hielt er etwas in der anderen Hand?
    Antwort: Nein. Er hatte sie in der Tasche.
    Frage: Trug er Handschuhe?
    Antwort: Nein. Er hatte bloße Hände.
    Frage: Ist das alles, woran Sie sich erinnern?
    Antwort: Ja, Signore.«
    Ruggieri faltete die Aussage zusammen.
    »Sehen Sie, Valence, solche Zeugen können sich zum Teufel scheren. Was haben die Leute nur an den Augen, verdammt?«
    »Das ist doch schon mal gar nicht schlecht. Der Typ muß ein Papier gesucht haben, nicht einen Gegenstand.«
    »Wieso das?«
    »Sehen Sie sich die Wohnung an, Ruggieri: Die Matratze ist vom Bett gezogen, die Bücher sind aufgeschlagen, die Bilderrahmen aufgebrochen … Was kann man da anderes finden als ein Blatt Papier?«
    »Eine getrocknete Blume«, schlug Ruggieri vor und gähnte.
    »Was ist mit Fingerabdrücken?«
    »Im Augenblick noch nichts. Wir fangen gerade an. Möglicherweise hat der Typ bei der Suche Handschuhe getragen. Man darf sich auf die Beschreibung des Nachbarn nicht allzusehr verlassen: Nichts ist leichter zu simulieren als das Alter. Genaugenommen ist er nicht mal sicher, daß es sich um einen Mann handelt. Also können wir gleich sagen, daß wir nichts wissen. Ist der Besucher Ihrer Ansicht nach auch der Mörder?«
    »Kaum anzunehmen. Wenn der Mörder von einem Beweisstück wußte, das vernichtet werden mußte, hätte er das vor dem Mord getan, was ein leichtes gewesen wäre, da Maria tagsüber nicht zu Hause ist. Es ist eher jemand, der von dem Mord überrumpelt wurde und die Hausdurchsuchung gefürchtet hat.«
    »Natürlich, das ist möglich. Wir werden hier alles genauestens unter die Lupe nehmen. Nichts beweist, daß der Besuchergefunden hat, was er suchte. Die Schritte des Nachbarn auf der Treppe haben ihn wahrscheinlich unterbrochen. Hätte Maria etwas verstecken wollen, wo hätte sie es Ihrer Ansicht nach hingetan?«
    Vom Fenster aus beobachtete Richard Valence seinen Schatten Tiberius auf der Straße. Dieser lehnte noch immer an dem Auto und beobachtete aufmerksam die Passanten, wobei es so aussah, als spielte er etwas. Wenn man genauer hinsah, bemerkte man, daß seine Aufmerksamkeit den Beinen der Frauen galt.
    »Das weiß ich nicht, Ruggieri«, antwortete Valence. »Ich werde Ihre Frage jemandem stellen, der Maria

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