Im Schatten des Palazzo Farnese
Dienstag« , las Ruggieri vor, » Maria TT 2 Freitag, Maria FT 5 Freitag, Maria FT 4 Montag, Maria GT 3 Montag, Maria GT 1 Dienstag, Maria FT 5 Donnerstag, und so weiter. Sehen Sie selbst, Valence.«
Valence versuchte nicht einmal zu verstehen. Denn es war klar, daß Ruggieri bereits die Erklärung für die Nachrichten hatte und angesichts seiner Bedrängnis frohlockte.
»Ich höre Ihre Übersetzung«, sagte Valence, ohne sich die Mühe zu machen, näher an den Tisch heranzutreten.
»Fenster-Tisch Nr. 4 Dienstag, Tür-Tisch Nr. 2 Freitag, Fenster-Tisch Nr. 5 Freitag, Fenster-Tisch Nr. 4 Montag, Gang-Tisch Nr. 3 Montag, Gang-Tisch Nr. 1 Dienstag …«
»Es reicht«, unterbrach Valence. »Ich habe verstanden. Wie haben Sie es herausgefunden?«
»Skriptor Prizzi hat mir geholfen. Fensterseite, Gangseite, Türseite – mit diesen Bezeichnungen unterscheiden sie die verschiedenen Tische im Lesesaal der Archive.Skriptor Prizzi denkt, daß einer der Benutzer Maria die Nachrichten übermittelte, um den Ort der nächsten Lieferung zu vereinbaren.«
»Maria machte bei den Diebstählen also mit?«
»Das ist klar, oder? Also ist jetzt sicher, daß sie von ihrem Komplizen ausgeschaltet wurde und der Mörder zunächst Henri Valhubert getötet hat, der gefährlich wurde, als er sich wegen des Michelangelo einmischte. Wahrscheinlich hat Maria Verdi nach Valhuberts Ermordung Angst bekommen und gebeten, sich aus dem Spiel zurückzuziehen, vielleicht hat sie sogar alles gestehen wollen.«
»Warum aber hätte sie die Nachrichten aufbewahrt?«
»Ich vermute, im Falle einer Erpressung.«
»Lächerlich. Die Nachrichten hätten sie selbst genauso belastet wie ihren Komplizen. Ihr Vorname steht absichtlich auf jedem Zettel, was sehr klug vom Verfasser war. Ich sehe nur ein einziges Motiv, das jemanden dazu veranlassen könnte, solch kompromittierende Zettel aufzubewahren. Nur Liebe bringt einen dazu, ein Stückchen Bindfaden aufzubewahren, nur weil es in der Tasche des anderen gelegen hat. Maria Verdi hat den Verfasser oder die Verfasserin der Nachrichten – ich neige zu einem Verfasser – möglicherweise geliebt und konnte sich nicht entschließen, seine ›Schriften‹ wegzuwerfen. Ich denke mir übrigens, daß dasselbe Motiv sie auch in diesen Schwarzhandel hineingezogen hat. Es könnte helfen, die Identität des Mannes herauszufinden.«
»Nicht nötig«, bemerkte Ruggieri lächelnd.
Valence dachte an den Bischof, den er so entschlossen in seinem Arbeitszimmer zurückgelassen hatte. Bestimmt war Nero nicht der einzige, der die richtigen Überlegungen anstellte.
»Wir haben den Mann, Monsieur Valence. Seine Handschrift wurde identifiziert, es besteht nicht der geringste Zweifel. In der Bibliothek gibt es ein Verzeichnis, in dasdie Benutzer eigenhändig die Bücher eintragen, die sie einsehen.«
»Die Benutzer? Sie denken an einen Benutzer?«
»Ich bin sogar direkt auf die Handschrift gestoßen, die ich suchte. Die Handschrift eines Mannes, dessen hartnäckige Neugier mich zunehmend beunruhigt hat.«
Valence erstarrte. Gleich würde etwas geschehen, was er nicht vorhergesehen hatte, und Ruggieris Gesicht ihm gegenüber zeigte den Jubel eines Mannes, der schon im voraus einen unguten Sieg auskostet.
»Ich gewähre Ihnen ein Privileg«, sagte Ruggieri, noch immer lächelnd. »Sie können Ihrer Eskorte persönlich sagen, daß ich sie in meinem Büro erwarte. Hier ist der Haftbefehl.«
Valence wünschte sich plötzlich, niemals Sonderbeauftragter gewesen zu sein und niemandem Rechenschaft ablegen zu müssen, um die spöttische, übersättigte Visage von Ruggieri in Stücke hauen zu können. Er verließ den Raum ohne ein Wort.
Tiberius stand, ein paar Meter von der Polizeistation entfernt, an einen grauen Lieferwagen gelehnt. Er sah aus, als sei er, friedlich nachdenkend, mit halbgeöffneten Lippen eingeschlafen. Valence ging mühsam auf ihn zu. Ein paar Meter vor ihm blieb er stehen.
»Salve, junger Kaiser«, sagte er.
Tiberius hob den Blick. Valence erschien ihm seltsam, mit ernstem, vielleicht besiegtem Gesicht. Valence hatte ihm etwas zu sagen.
»Das Heilige-Gewissen hat alle deine Nachrichten aufbewahrt, Tiberius. Fenster-Tisch Nr. 4 Dienstag, Tür-Tisch Nr. 2 Freitag, Fenster-Tisch Nr. 5 Freitag, Fenster-Tisch Nr. 4 Montag, und so weiter. Du hast sie umsonst abgemurkst. Geh zu Ruggieri, er erwartet dich, es ist aus.«
Tiberius rührte sich nicht, er versuchte nicht einmal eine Fluchtbewegung, er war nur
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