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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evita Wolff
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dem neueröffneten Imbiß.« »Also gut, ihr wart essen«, stellte Jackie trocken fest.
    »Und dann?«
    Gwen klopfte das Tüchlein gegen ihre Haut und tupfte einen Teil Creme damit ab. »Hat jemand eine Zigarette?« fragte sie.
    Zwei Zigarettenschachteln streckten sich Gwen bereitwillig entgegen. »Erzähl schon!« drängte Jackie. »Spann uns nicht so auf die Folter!«
    Gwen zündete ihre Zigarette an und inhalierte den Rauch tief. »Er hat mir völlig den Wind aus den Segeln genommen. Ich bat ihn, an die Seite zu fahren .. ihr wißt schon, warum.« Sie fand Joyces fragenden Blick, seufzte, und wandte sich an Jackie: »Nicht wahr.«
    Jackie nickte.
Gwens Zigarette glimmte wieder auf. »Da waren wir nun also. Alles war dunkel und still und neblig um uns, und ich dachte an das kleine verschwiegene Motel, und wie romantisch alles sein könnte – und da sagte er plötzlich, er sei hungrig.«
»Nein!« Jackie war schockiert.
»Oh – ja!«
»Ich glaube es nicht!« Jackie wiegte ihren Kopf in den Händen. »Ein Mann! Ein Mann benutzt einen der besten Frauentricks, um sich aus der Affäre zu ziehen!«
»Oh, er war reizend«, sagte Gwen und zog die Beine in den Schneidersitz, »unerhört höflich und zuvorkommend, und wir hatten grünen Tee und ein herrliches Essen, und er erzählte sehr interessant von seiner Arbeit mit den Tieren, und dann kam er auf Shakespeare und Moliere, ich hab vergessen, wie ... er legte mir eine verfilmte Biographie seines Lebens – Molières Lebens, meine ich natürlich – nahe, eine französische Produktion, und er fragte mich nach ... ach, nach allerlei. Ob mir die Ausbildung Spaß mache. Was ich in meiner Freizeit tue. Ob ich lesen würde, und wenn ja, was, und was mich daran interessiere. – Ich wußte kaum, was ich sagen sollte. – Ich meine, dieser Junge ist wirklich unerhört attraktiv –«
»Der attraktivste in der ganzen Grafschaft«, warf Jackie ein. Außer Hugh, fügte sie im Stillen hinzu.
»Aber er ist für mich mindestens fünf Nummern zu groß.«
»Gwen! Er hat den ganzen Abend mit dir geflirtet!«
»Er war interessiert. Ich hab's verpatzt. Bei manchen Männern darf man die – Sache nicht einfach über's Knie brechen. Ich hab den Fehler begangen zu denken, er war wie die anderen – daß er nur seinen Spaß wollte. Aber er – er ist eben nicht wie die anderen.« Sie drückte ihre Zigarette aus und trat ans Fenster, um es weit zu öffnen.
»Da ist eine andere«, sagte sie mit dem Rücken zu ihren Freundinnen und stützte die Ellenbogen auf die Fensterbank. »Eine sehr besondere andere. Eine, die seine Interessen teilt. Die auf gleicher Wellenlänge mit ihm liegt.«
»Und – weißt du, wer es ist?!«
»Ich bin ziemlich sicher, Jackie.«
»Wer?«
Gwen blickte zum Mond. »Es ist nicht wichtig, Jackie. Aber gegen sie hat niemand eine Chance bei ihm.« Er wird wohl immer allein bleiben, dachte sie. Er gibt sich nicht mit Halbheiten zufrieden. Mit einer halben Portion wie mir.

19
    Die Schwärze schien sie niederzuwalzen: Ihr Gemüt war so verhangen und düster wie der Himmel über ihr. Sie wünschte, sie könnte jetzt zu ihrer Kiefer gehen. In ihrer Phantasie stand sie
    vor dem Baum, berührte die schrundige Borke und drückte ihr Gesicht gegen den Stamm, Kraft aus seiner Stärke schöpfend, bis genug Energie in ihr war, um den untersten Ast zu greifen und sich hochzuziehen, langsam höher und höher zu klettern zu ihrem Ast, der beinahe auf das Fargus-Land hinüberwuchs. Wenn sie sich dort oben lang ausstreckte, vergaß sie manchmal das Drückende ihrer Existenz. Dort oben konnten ihre Träume sie entführen in eine Welt ohne drängende Sorgen, ohne Demütigung und Seelenqualen. Dort oben konnte sie vergessen, wer sie war. Dort malte ihre Vorstellungskraft ein ganz anderes Bild von ihr. Sie war dann nicht mehr Juanita Cochan, Mitglied einer als anrüchig betrachteten Familie, nicht mehr eine Fremde in einem Land, das ihr kalt und öde erschien; dort oben wurde sie zur Prinzessin, die über ein Reich blickte, dessen Königin sie einmal werden würde. Und es war ein Land, in dem es keinen Winter gab, in dem die Nächte warm und silbrigblau waren, in dem die Tage sich lang und heiß dehnten. Sie blieb inmitten des von Unrat und zerbrochenen Maschinenteilen übersäten Hofes stehen, verloren in Gedanken. In ihren Träumen war sie reich und mächtig. Sie konnte befehlen, und sie konnte ihren Prinzen unter all denen, die ihr zu Füßen lagen, wählen. Vor einiger Zeit hatte der

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