Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evita Wolff
Vom Netzwerk:
hörst du? Niemals Wolle. Leder. Einfaches, dünnes Leder. Nach zwei Minuten hast du schon wieder den Kontakt mit dem Pferdemaul, als würdest du mit bloßen Händen reiten
– und es schützt. Es gibt nichts Besseres als Leder. Es war einmal lebendig. In Leder ist immer noch ein bißchen Seele drin. Und du brauchst jedes Quentchen Seele, das du bekommen kannst, wenn du es mit einem wirklich schwierigen Pferd zu tun hast.«
Sanftmut, unendliche Geduld und Sensibilität für die Tiere waren die Werkzeuge, die Ted in ihm verfeinert hatte bis zur Vollendung.
»Eric!« Elaine sprach ihn zum dritten Mal an und fühlte sich bereits besorgt angesichts dieser starren Augen und des bleichen Gesichts.
»Eric!« Sie packte seinen Arm und schüttelte ihn.
»Ja?« Er blinzelte und war wieder bei ihr. »Du, du hast gesagt, daß wir alle Weihnachten feiern sollten, nicht?«
»Ja.« Sie umarmte ihn, um mit ihrer Körperwärme wieder Farbe in sein entsetzlich blasses Gesicht zu bringen. »Das wäre schön«, murmelte er. Ein Weihnachtsfest im Kreis der Lieben – so ähnlich hieß es doch? Und zum ersten Mal in seinem Leben begann er zaghaft, sich darauf zu freuen.
    »Weißt du, wann ich mir klar darüber wurde, daß ich dich liebe?« Er stellte sein Glas nieder, ergriff ihre Rechte und liebkoste die Hand mit den Lippen.
    »Und habe ich dir schon gesagt, daß du mir so noch besser gefällst als früher?« Sie zupfte an der dunklen Haarwelle, die ihm zwischen die Brauen fiel.
    »Tatsächlich? Und ich wollte das Ding abschneiden. Ich hab's nur immer wieder vergessen.«
»Tu das nicht«, bat sie. »Hugh wäre auch ein guter Friseurmeister geworden. Aber als Krankenpfleger ist er mir lieber. Er ist wirklich unentbehrlich für unser Haus.«
»Aber du wolltest doch nicht über Hugh sprechen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Eigentlich«, begann sie zögernd, »eigentlich hätte ich an diesem Abend ... in dieser Nacht längst Feierabend haben sollen. Aber ich konnte nicht gehen, ich mußte einfach wissen, wie es mit ihm weitergehen würde. Es war im Herbst, ein junger Mann, der schwer von einer Heumaschine verletzt worden war. Nach der Operation war er natürlich noch lange bewußtlos, und ich hätte eigentlich schlafen sollen. Ich war so erschöpft, daß man mich in irgendeine Ecke hätte stellen können, und ich wäre eingeschlafen. Ich hätte daheim sein sollen. Aber in dieser Nacht war es anders. Ich kauerte auf meinem Stuhl im Dienstzimmer und hoffte, daß er überleben würde. Ich sagte mir, daß ich mein Bestes getan hatte und daß ich schlafen müsse, aber es ging nicht. – Er erinnerte mich so an ... dich – «
»Ja?«
»Er sieht ganz anders aus als du, er hat blondes Haar und helle Augen ... aber er ist groß und jung und kräftig ... alte Patienten machen mich schwach, aber junge Menschen schwer verletzt vor mir zu sehen ist einfach furchtbar. Ich habe mir schreckliche Sorgen um ihn gemacht, aber ich wußte, daß ich ihm nichts nützen könnte, wenn es Komplikationen geben und ich übernächtigt an sein Bett treten würde. Ich wollte so unbedingt schlafen, aber es ging nicht. Mir war so sehr kalt, und elend ... bis ich mich erinnerte ...« Ihre Stimme erstarb. Sanft sagte er: »Erinnerte.«
»Ja. Oh – ja! Ja – an den Tag, unseren Tag auf den marchairs. Und ich stellte mir vor, daß du wieder die Arme um mich legst und deine Wärme um mich ist. In Gedanken war ich bei dir, und es war so wie jetzt ...« Sekundenlang schwieg sie und kostete dieses unvergleichliche Gefühl tiefer, vertraulicher Geborgenheit mit geschlossenen Augen aus, »und ich fühlte mich leichter, viel leichter. Ich fühlte deine Arme. Und dann ... konnte ich schlafen.«
Er schloß sie fester in seine Umarmung, und sie lehnte den Hinterkopf an seine Schulter.
»Wie ging's weiter mit ihm?« fragte er leise.
»Nachdem ich ein wenig geschlafen hatte, war ich wieder ganz ruhig. Und ich konnte ihn beruhigen, als er aufwachte. Er hatte Angst, daß er vielleicht seine Hände nie wieder gebrauchen könnte; sie waren wirklich schlimm zerschnitten gewesen, aber nach ein paar Tagen war ich ganz sicher, daß sie wieder heilen würden. Er blieb einige Zeit bei uns, und letztens sah ich ihn wieder, auf seiner Pflugmaschine, fröhlich pfeifend. – Er hat sich kurz nach seiner Entlassung überschwenglich bei mir bedankt ... als ich des Morgens kam, standen in einer Vase dreißig Rosen auf meinem Tisch –«
»Rote?«
»Nein, keine roten. Verschiedene Rosatönungen und

Weitere Kostenlose Bücher