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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evita Wolff
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seinem geistigen Auge zogen schreckliche Bilder vorüber, während er sprach – Stuten außer Rand und Band, die mit allen Kräften versuchten, aus der erzwungenen Enge auszubrechen, sich dabei tiefe Fleischwunden zuzogen und zerschnittene Fesseln, wenn sie sich an die Gitter der Futtermulden hängten, um nach draußen zu gelangen, und die kleinen hilflosen Fohlen, angesteckt von der Hysterie ihrer Mütter, unter deren schlagende Hufe sie gerieten, der rasende Hengst außer Kontrolle. Eine Stampede auf offenem Feld ist schlimm genug; in einem Stall ist sie tödlich. Er hatte es einmal erlebt.
    »Bin ich froh, daß ich Sie daran hindern konnte, in die Box zu gehen; die hätte Sie zertreten. Es wird immer schlimmer mit ihr. Sprechen schien ihr nicht soviel auszumachen. Sie wurde nervös beim Klang von Stimmen, überhaupt bei allem, was mit Menschen zu tun hat, aber eklig – richtig eklig, meine ich – war sie nur, wenn man versuchte, sie anzufassen. Master Eric, so wie sie jetzt ist, glauben Sie mir – dieses Pferd taugt nur noch zum Erschießen«, sagte Edward. »Sie war wirklich fein als Fohlen – sanft wie ein Lämmchen. Aber Sie sehen ja, wie sie sich aufführt.«
    Ganz offensichtlich war Solitaire ein sehr ernster Fall. Jedes andere Pferd hatte er über kurz oder lang durch seine Stimme erreicht, hatte damit eine Basis schaffen können, auf der allmählich Vertrauen gewachsen war. Solitaire jedoch hatte ihn von vornherein dieses Werkzeugs beraubt.
    Emily hatte im Näherkommen Edwards Worte gehört. Sie hatte die Verschlimmerung des Zustands von Solitaire vor ganz kurzer Zeit erst selbst entsetzt erlebt, als sie die Tür hinter ihr geschlossen und zu ihr gesprochen hatte. Sie wußte sehr genau, wovon Edward sprach. Angstvoll sah sie zu Eric auf. »Ist es so schlimm, wie er sagt, Eric? Bleibt nichts anderes?«
    Ihre Augen waren weit und sehr dunkel. Er las darin den Kummer um das bildschöne und hoffnungsvolle Tier, und die Besorgnis um das Gestüt. Von Solitaire hing so vieles ab. Er biß die Zähne zusammen.
    »Eric? Muß es wirklich sein? Bleibt kein anderer Weg? Sie haben sie jetzt gesehen, ich verlasse mich auf Ihre Entscheidung.«
    Wenn nicht gerade auf diese Stute so große Hoffnungen für den Zuchtstamm gesetzt worden wären! Aber jedes einzelne Fohlen, das sie warf, würde genauso wild und menschenscheu werden wie sie selbst. Es ist die Stute, die das Fohlen erzieht.
    Eric blickte zum Stall hinüber. Alles war jetzt wieder ruhig. Auch Excalibur hatte seine wilden Jagden eingestellt; aber er graste nicht, sondern stand hocherhobenen Hauptes dicht am Zaun und witterte mit geblähten Nüstern zu seinen Schutzbefohlenen hin.
    »Die Stute war schließlich nicht von Anfang an so. Grundsätzlich hat sie einen guten Charakter. Ich weiß nicht, was mit ihr geschehen ist, aber kein Pferd wird wie sie, wenn es nicht schwer mißhandelt worden ist. Das ist offensichtlich in der Zeit geschehen, als sie von der Herde getrennt war.«
    »Heißt das, Sie wollen es mit ihr versuchen?!«
»Ja.«
»Oh, Eric!« Sie umarmte ihn ungestüm und preßte sich an
    ihn. Er fühlte, daß sie zitterte, und sprach sehr nüchtern. »Zuerst müssen wir sie von den anderen trennen. Sie wird sich wahrscheinlich wie eine Wilde aufführen, aber wir können nicht die Gesundheit aller anderen um ihretwillen aufs Spiel setzen. Emily, besteht die Möglichkeit, ein paar der Stuten, die dieses Jahr kein Fohlen haben, von Solitaire entfernt hier beim Haus zu behalten?« Sehr sanft schob er sie dabei von sich und blickte zu Excalibur, um ihr die Möglichkeit zu geben, sich zu sammeln.
    »Nun ... ja. Wir können die Stuten in den nächsten Stallgang bringen und die Zwischentür verriegeln. Aber was beabsichtigen Sie damit?«
    »Zweierlei. Zum einen ist Solitaire dann nicht ganz verwaist. Sie wird die Nähe der anderen spüren, auch wenn sie nicht zu ihnen gelangen kann. Zum anderen halte ich es für gut, einige Reitpferde jederzeit greifbar zu haben. Falls wir die Herde noch einmal suchen müssen, können wir uns verteilen und werden sie so sicherlich schneller finden als mit dem Wagen. Überhaupt werden wir dadurch alle mehr Bewegungsfreiheit auf dem Gelände bekommen. Sind Sie damit einverstanden?«
    »Natürlich!«
»Gut, dann wollen wir anfangen.«
Sie wählten Velvet, Garnet, Piquet, Peach, Celebration und
    Margravine, legten ihnen Halfter um und führten sie in den zweiten Stallgang. Jede Stute erhielt noch ein wenig Hafer und Heu, um sie zu

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