Im Schatten des Teebaums - Roman
nahmen die Mädchen an, dass Henrietta wegfahren wollte. Aber wohin?
»Mom«, sagte Katie, die sie als Erste erreichte. »W as tust du denn hier?«
Eliza und George stießen zu ihnen.
»Ihr seid zurück!« Henrietta schien ein wenig außer Atem. Ihr Blick huschte zwischen ihren Töchtern hin und her. Sie war sichtlich erleichtert, sie zu sehen. Nervös schaute sie George an und nickte ihm zu, ehe sie sich wieder an Eliza und Katie wandte. »Ich muss euch beide in einer dringenden Angelegenheit sprechen«, sagte sie. »Deshalb wollte ich den Zug nach Tantanoola nehmen. Aber jetzt, wo ihr wieder da seid …« Sie verstummte.
»Ist etwas passiert, Mom?«, fragte Katie ängstlich. »Dad ist doch nicht etwa krank, oder?«
»Nein«, sagte Henrietta. Jetzt, wo der Zeitpunkt gekommen war und sie ihren Mädchen Auge in Auge gegenüberstand, war sie ängstlicher als je zuvor. Sie hoffte, ihre Töchter würden verstehen, dass sie fortgehen musste – und dass sie in einen anderen Mann verliebt war.
»Ich gehe ins Büro«, sagte George, der es kaum erwarten konnte, seine Geschichte in Druck zu geben. »Fahren Sie mit Ihrer Mutter nach Hause, Eliza. Wir sehen uns morgen.«
»Ich würde lieber mit zur Arbeit kommen, Mr. Kennedy«, rief Eliza, die es so lange wie möglich hinausschieben wollte, ihren Vater zu sehen, ihm nach.
»Nein, fahren Sie nach Hause«, beharrte George und eilte in Richtung des Büros der Border Watch davon.
»Mickey und mein Wagen warten bei den Mietställen«, sagte Henrietta. Mickey war der Stalljunge auf Sunningdale.
Eliza war nicht glücklich mit dem Verlauf der Dinge, folgte Katie und Henrietta aber zu den Ställen.
Auf einmal blieb Katie stehen. »Ich muss erst noch Thomas sehen, bevor ich nach Hause fahre«, erklärte sie.
»Kann das nicht warten, Katie?«, fragte Henrietta.
»Nein. Ich muss ihn sofort sehen. Er wird im Geschäft sein. Ich komme, sobald ich kann.« Katie wandte sich in die entgegengesetzte Richtung, überquerte die Straße und ging zu Clarkes Möbelhaus.
Henrietta dachte an Clive, der auf sie wartete, und warf einen Blick auf die Uhr. Sie hatte noch ein paar Stunden Zeit. »Bitte beeil dich, Katie«, rief sie ihrer Tochter nach. »Ich muss mit dir und deiner Schwester reden, und es kann wirklich nicht mehr lange warten.«
Katie winkte und lief weiter. Sie achtete nur mit einem Ohr auf die eindringlichen Worte Henriettas.
Elizas Neugier war geweckt. Sie fragte sich, ob Henrietta ihnen vielleicht beichten würde, dass Richard nicht der Mann sei, für den sie ihn immer gehalten hatten. Das wäre nichts Neues für sie.
»W arum hat Katie es so eilig, Thomas zu sehen?«, fragte Henrietta. »V or ein paar Tagen, hatte sie nicht das geringste Interesse mehr, mit ihm zu reden.«
»Ich glaube, sie hat es sich anders überlegt«, sagte Eliza. Sie dachte daran, dass Katie auf der Fahrt von Tantanoola ununterbrochen von Thomas geredet hatte. Katie hatte begriffen, wie sehr sie sich getäuscht hatte. Der gute alte, zuverlässige Thomas erschien im Vergleich zu Windbeuteln wie Alistair McBride plötzlich wie ein Prinz.
»W illst du damit andeuten, die beiden könnten wieder zusammenkommen?«, fragte Henrietta hoffnungsvoll.
»Ich würde sagen, es besteht durchaus die Möglichkeit. Wundere dich nicht, falls in den nächsten Monaten die Hochzeitsglocken läuten.«
Henrietta lächelte, aber nur für einen Augenblick.
Als Katie zum Möbelhaus kam, schlug ihr das Herz vor Aufregung bis zum Hals. Sie liebte Thomas und konnte es nicht erwarten, es ihm zu sagen. Ihre Erfahrungen hatten ihr die Augen geöffnet und sie begreifen lassen, was sie wirklich für diesen Mann empfand. Endlich war sie sich sicher, dass ihre Gefühle für Thomas echt waren, und zu ihm zurückzukommen erschien ihr wie eine Heimkehr nach einer langen und beschwerlichen Reise. Katie hatte aber auch Angst, er würde sie nicht mit offenen Armen willkommen heißen. Was würde er sagen?
Thomas war damit beschäftigt, Schreibarbeiten zu erledigen, als Katie an die Tür seines Büros klopfte. Er hob den Kopf und war sichtlich verblüfft, sie zu sehen.
»Katie! Wie lange stehst du schon da?«
»Ich bin eben erst gekommen, Thomas. Freust du dich, mich zu sehen?« Sie erwartete, dass er Ja sagen würde.
»Ich bin überrascht«, sagte er stattdessen. Er erhob sich nicht, um sie zu begrüßen.
»Angenehm überrascht, hoffe ich«, sagte Katie mit einem nervösen Lächeln. Sein Tonfall war ungewohnt nüchtern. Sie konnte
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