Im Schatten des Teebaums - Roman
Dunkelheit auf der Türschwelle, um ins Haus gelassen zu werden; daher wunderte sich Eliza, dass Sheba jetzt nicht da war. Sie ging neben der Stallkoppel auf und ab und rief nach dem Tier. Das Mondlicht lag silbern über dem Land, sodass sie auch ohne Laterne recht gut sehen konnte.
»Sheba! Wo bist du?«, rief Eliza. »Es wird Zeit, dass du ins Haus kommst!«
Als Eliza sich umwandte, sah sie die Hündin in der Nähe des Gemüsegartens. »Sheba, was tust du denn da? Komm ins Haus!«, lockte sie. Als das Tier sich nicht rührte, stieg Besorgnis in Eliza auf.
»W as ist mit dir, Mädchen?«, fragte sie. Sheba schien Eliza angespannt zu beobachten.
Eliza erstarrte jäh. Das Mondlicht warf verzerrte Schatten, doch mit einem Mal schien es ihr, als wäre das Tier, das da im Halbdunkel kauerte, gar nicht Sheba. Angst überkam Eliza. Langsam und vorsichtig bewegte sie sich einen Schritt auf die Veranda und die Sicherheit der Hintertür zu. Sofort machte das Tier ebenfalls einen Schritt nach vorn und verharrte dann wieder lauernd.
Plötzlich vernahm Eliza ein leises, bedrohliches Geräusch. Es klang wie das Knurren eines Hundes, nur wilder und gefährlicher. Eliza wollte um Hilfe rufen, aber ihre Stimme versagte. Sie zitterte am ganzen Leib. Vorsichtig warf sie einen Blick zur Veranda – und ihre Augen weiteten sich, als sie Sheba ängstlich unter einem Stuhl kauern sah.
Vor Schreck setzte ihr Herz einen Schlag aus. Sie hatte es geahnt, aber nicht für möglich gehalten: Das Tier, das da im Halbdunkel lauerte, war nicht Sheba. Und wenn die Hündin Angst hatte, hatte auch sie selbst allen Grund dazu …
Elizas Gedanken rasten. Ihr blieb nur die Möglichkeit, die Flucht zu ergreifen. Sie musste zum Haus, so schnell sie konnte. Aber war das zu schaffen, ohne dass das Tier sie anfiel? Hatte sie überhaupt den Mut dazu? Langsam, dachte sie, ich muss mich ganz langsam fortbewegen.
Eliza holte tief Luft und ging Schritt für Schritt rückwärts auf das Haus zu. Sie versuchte, nicht auf das bedrohliche Tier zu achten, das sie im Mondlicht beäugte, als wäre sie seine nächste Mahlzeit. Jeden Augenblick rechnete Eliza damit, angegriffen zu werden. Sie betete, dass Sheba dann den Mut fand, sie zu verteidigen.
Als sie die Hintertür erreichte, drehte sie sich um, drückte sie auf und huschte ins Haus, gefolgt von der völlig verängstigten Sheba.
Sekundenlang stand Eliza wie gelähmt da und starrte durch das Fliegengitter nach draußen. Sie hörte, wie ihre Tante im Hintergrund Sheba begrüßte. Was immer in der Nähe des Gemüsegartens gewesen war, war mit einem Mal verschwunden. Eliza konnte das Tier nicht mehr sehen. Es hatte ausgesehen wie ein Hund, nur größer, wilder und viel bedrohlicher.
Konnte es der Tiger gewesen sein? Auf keinen Fall würde sie irgendjemandem davon erzählen.
12
Tilly spülte die Suppenteller ab, als George in die Küche kam. Brodie war auf sein Zimmer gegangen, um sein Gewehr zu reinigen, und Katie und Eliza unterhielten sich in Katies Zimmer.
»Kann ich dir helfen?«, fragte George.
»Ich bin fast fertig«, sagte Tilly.
George machte sich trotzdem daran, die gespülten Teller in den Küchenschrank zu räumen.
»W er hätte gedacht, dass der schüchterne Junge, den ich aus der Schule kannte, mir eines Tages in der Küche hilft«, sagte Tilly und lächelte bei dem Gedanken, wie scheu George einst gewesen war.
George sah verlegen aus. »Ich war hoffnungslos in dich verliebt«, gab er zu. »Aber du und Richard, ihr wart so vernarrt ineinander, dass ich keine Chance hatte.«
Jäh schwand Tillys Lächeln, und sie ließ den Kopf hängen.
George erkannte seinen Fehler augenblicklich. »T ut mir leid. Das hätte ich nicht sagen sollen.«
Nach ein paar Augenblicken angespannten Schweigens fragte Tilly zögernd: »W ie geht es Richard eigentlich? Siehst du ihn manchmal in der Stadt?«
»Es geht ihm sehr gut. Er war erst gestern bei mir im Büro.«
Tillys Herz schlug schneller. »Ist er … meinst du, er ist glücklich?« Sie konnte sich nicht vorstellen, dass eine so egoistische Frau wie Henrietta ihn glücklich machte, aber sie musste diese Frage stellen.
»Ich nehme es an.« George zuckte die Achseln. »Er macht sich allerdings Sorgen um Eliza. Es ist das erste Mal, dass sie mit einem Auftrag unterwegs ist.«
»Es ist ganz normal, dass er besorgt um sie ist«, sagte Tilly und versuchte, nüchtern zu klingen. Typisch, dass es nicht ihre egoistische Schwester
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