Im Schatten des Verraeters
trug ein ausgeblichenes
Kattunkleid, das offensichtlich mehrfach gewaschen und geflickt worden
war, dazu eine alte Norfolkjacke, zwei Nummern zu groß für
sie und mit einem Gürtel um die schlanke Taille zusammengehalten.
Lomax fuhr mit dem Zeigefinger leicht
über einen der Aufschläge. »Harris Tweed. Nicht gerade
sehr griechisch. Wo hast du das aufgelesen?«
Sie errötete, und seine Worte
taten ihm sofort leid, weil er wußte, daß er in irgendeiner
Weise ihren Stolz verletzt hatte. »Neue Kleider sind etwas, das
man hier unmöglich bekommen kann«, sagte sie. »Ich
habe diese Jacke von einem Bekannten bekommen, Mr. Van Horn.«
»Du kennst Oliver Van Horn?« fragte Lomax überrascht.
»Jeder auf Kyros kennt Mr. Van Horn«, sagte sie. »Er ist ein großartiger Mann.«
»Wohnt er noch immer in seiner Villa draußen auf der Landspitze?« fragte Alexias.
Sie nickte. »Die Deutschen
lassen ihn in Ruhe. Seit der alte Dr. Douplos gestorben ist, hat Mr.
Van Horn seinen Platz eingenommen. Er ist für die Inselbewohner
der einzige erreichbare Arzt.«
»Ich hatte ganz vergessen, daß er als junger Mann Medizin
studiert hat«, bemerkte Lomax. »Noch
etwas, das ihn mit Maugham verbindet. Ich gäbe viel darum, ihn
kennenzulernen.«
»Wer weiß, vielleicht
kommt es dazu.« Alexias schnitt sich ein großes Stück
Käse ab. »Katina, ich habe mich entschlossen, mit dir in die
Stadt zu fahren. Kann ich das riskieren?«
Sie nickte. »In einer warmen Nacht wie heute sind sicher viele Leute auf den Straßen.«
Alexias wandte sich an Lomax.
»Ich werde gleich morgen früh zurück sein. Bis dahin
werde ich einiges in Bewegung gesetzt haben. Sie und Boyd können
hier auf dem Dachboden schlafen.«
»Ich werde gehen und die Stute
anschirren«, unterbrach ihn Katina. »Wenn ich nicht bald
zurückkehre, macht sich Tante Sarah Sorgen.«
Die Tür schloß sich hinter
ihr. Lomax zog seine Jacke an und griff nach dem Nachtfernrohr.
»Sie hat recht. Ich werde ihr helfen und mich dann mal
umsehen.«
Alexias goß sich erneut einen
Becher Kaffee ein und ging dann zum Feuer. Dampf stieg von seiner
Schaffelljacke auf. »Ich bin in fünf Minuten bereit
wegzufahren. Lassen Sie mir nur noch Zeit, mich ein bißchen zu
trocknen.«
Boyd delektierte sich noch immer am
Brot und Käse, während Lomax durch die Küche ging und
auf die Veranda hinaustrat. Er überquerte den Hof in Richtung der
Scheune und blieb vor deren Einfahrt stehen.
Eine alte Öllampe hing von einem
Balken herab, der die Hauptstütze des Gebäudes zu sein
schien, und in ihrem Licht schirrte Katina Pavlo die Stute an. Eine
Diele knarrte unter seinen Füßen, als er auf sie zuging, und
sie drehte sich sofort um und griff nach dem Gewehr, das am Ende der
Pferdebox lehnte.
Dann war sie sichtlich erleichtert. »Ach, Sie sind's, Captain Lomax.«
»Ihr Onkel hat Ihnen also meinen Namen gesagt.«
Sie nickte. »Sie sind jünger als ich gedacht habe. Viel jünger.«
Er runzelte leicht die Stirn. »Ich verstehe nicht -«
»Selbst auf Kyros haben wir vom
›Werwolf‹ gehört«, erklärte sie.
»Und von den Dingen, die Sie auf Kreta getan haben. Im letzten
Monat konnten sie in den Cafes von nichts anderem reden als davon, wie
Sie den deutschen General auf Rhodos entführt und ihn aus
Ägypten hinausgeschmuggelt haben. Selbst den Deutschen fällt
es schwer, solches Dinge geheim zu halten.«
»Solche Geschichten werden beim
Weitererzählen immer gewaltig aufgeblasen, vergiß das
nicht«, sagte Lomax.
Sie ließ das Zaumzeug über
den Kopf der Stute gleiten und schnallte schnell den Riemen fest.
»Ihr Griechisch ist sehr gut - zu gut für einen
Inselbewohner.«
Er grinste. »Ich habe als Junge
fünf Jahre in Athen zugebracht. Mein Vater war dort Beamter an der
britischen Botschaft.«
»Ah so.«
Sie traf Anstalten, die Stute aus
ihrer Box herauszuführen und Lomax machte ein paar Schritte
vorwärts. »Kann ich helfen?«
Sie nickte. »Der Wagen steht dort drüben in der Ecke - wenn Sie ihn herbringen könnten?«
Es war ein leichtes,
zweirädriges Ding, und er kippte den Wagen nach vorne,
während sie die Stute zwischen die langen, gebogenen Deichseln
zurückschob. Er befestigte fachmännisch den Riemen auf der
einen Seite, und sie tat das gleiche auf der anderen.
Als sie fertig waren, lächelte
sie zu ihm hinüber. »Das müssen Sie früher schon
gemacht haben.«
Er nickte. »Mein
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