Im Schatten des Vogels
kennen würde und mich nicht in ihre Angelegenheiten einmischen solle. Ich verstehe nicht, warum das so sein muss. Papa hatte Vigfús als Tischler eingestellt, und alles lief wunderbar, bis er um meine Hand anhielt. Seitdem hat nichts mehr funktioniert.
Eines Abends verkündet mir Vigfús, dass er mit dem Fischen so schnell wie möglich aufhören werde. Man habe ihm Tischlerarbeit im Osten der Gegend angeboten, und dort wolle er hin, sobald er anfangen könne. Und er komme abends nicht nach Hause. Dafür sei es zu weit weg.
Es schmerzt mich, und ich werde den Gedanken nicht los, dass er mich bestrafen will. Ich erinnere ihn daran, dass ich mit seinem Kind schwanger bin. Er glaubt, dass ich in meinem Elternhaus gut aufgehoben sei. Ist da ein Stachel in seiner Stimme?
Mit der Zeit empfinde ich eine gewisse Erleichterung, spreche aber nicht darüber. Das Kind tritt munter. Ich streichle kurz über den wachsenden Bauch und lächle.
Vigfús ist nicht auf dem Hof, als der Junge geboren wird, doch meine Brüder versprechen, ihm die Nachricht zu überbringen. Alles läuft gut. Der Junge schreit kräftig und ist wunderbar klein und weich. Ich habe nie ein schöneres Kind gesehen und könnte mir vorstellen, immer und ewig mit ihm im Arm dazuliegen. Mutter und Halldóra nehmen mir alles ab, Papa fürchtet sich fast vor dem Würmchen, und die Brüder sind so unglaublich stolz, dass man denken könnte, sie seien alle am selben Tag Vater geworden.
Der Junge hat dunkles Haar, wie Vigfús. Ob er wohl meine Grübchen hat? Papa sitzt am Bettrand und findet, dass er ihm ähnlich sieht. Sagt, dass er kräftige Händchen und dicke Fingerchen habe. Ich lächle und bin einverstanden, was immer er auch sagt. Müde, aber zufrieden.
Dann kommt Vigfús. Es rührt mich, zu sehen, wie glücklich er ist. Er umarmt mich, traut sich aber kaum, den Jungen auf den Arm zu nehmen.
«Diesem Jungen werde ich all das bieten, wovon ich selbst immer geträumt habe», flüstert er, und seine Stimme zittert. Meine Augen füllen sich mit Tränen. Schäme mich für die Gedanken der letzten Wochen und Monate.
Vigfús nimmt sich frei und bleibt einige Tage daheim. Doch es ist, als würde sich ein Albtraum über unser Zuhause legen. Papa setzt sich nicht mehr zu mir ans Bett. Die Brüder schauen vorbei, bleiben aber nur kurz. Nur Mutter und Halldóra machen weiter wie bisher. Sie backen abwechselnd Küchlein und Pfannkuchen, und Kaffeeduft zieht durchs ganze Haus.
Und dann steht die Taufe des Jungen an. Ich würde ihn gerne nach Papa Jón nennen, doch Vigfús erinnert daran, dass sein Vater Bjarni heißt. Ich schlage Jón Bjarni vor.
«Klingt das nicht gemeindevorstehermäßig?», frage ich und versuche, lustig zu klingen. Doch Vigfús ist nicht zum Spaßen aufgelegt. Wir einigen uns auf den Namen Stefán, der schön klingt, aber ganz aus der Luft gegriffen ist. Der Pfarrer kommt in unsere Wohnstube. Aus dem Augenwinkel sehe ich die verwunderten Gesichter der anderen. Meine Brüder sind zwar da, aber es wäre schön gewesen, auch Ninna, Gauja, Gunnhildur und den zu sehen, der nie erwähnt wird. Meine Augen füllen sich mit Tränen. Vermisse all das, was vergangen ist. Papa ist enttäuscht. Er versucht, es zu verbergen, doch ich kenne ihn zu gut.
Als der Herbst kommt, sind die Tischlerarbeiten gemacht, und Vigfús kommt heim. Stefán und ich heißen ihn willkommen, und alles scheint gut anzulaufen. Er ist beim Schafabtrieb dabei und packt überall tatkräftig mit an, doch als es ums Schlachtvieh geht und um die Entscheidung, wie viele Tiere wir den Winter über zur Aufzucht behalten, geraten er und Papa sich sofort wieder in die Haare. Papa ist großzügig, Vigfús realistisch. Papa kann es nicht haben, wenn ihm jemand in die Arbeit redet. Nennt seinen Schwiegersohn einen Geizkragen.
Da Vigfús das Geld, das er verdient, zum Hof beisteuert, gibt er nicht nach. Von der ganzen Freigebigkeit hat er ohnehin die Nase voll. Will das Essen einfacher halten, weniger für Kaffee und Kuchen verschwenden. Ich mache ihn darauf aufmerksam, dass ich mit einem neuen Webstuhl unser Einkommen aufbessern könnte. Ganz zu schweigen davon, wenn wir eine Strickmaschine kaufen würden. Er schneidet mir dasWort ab, sagt, dass ich ohnehin nur unwesentlich zum Haushalt beitragen könne, ganz gleich, was ich täte. Ich bin verletzt und knalle die Tür zu. Suche Stefán, der weich und warm ist und lächelt. Im Advent bin ich wieder schwanger.
Mutter ist geknickt. Sie, die gerade
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