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Im Schatten des Vogels

Im Schatten des Vogels

Titel: Im Schatten des Vogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anika Lüders
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Katrín zu nähen. Scherte mich um nichts anderes. Es verschlug ihr den Atem, und wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte ich nur noch an der Nähmaschine sitzen sollen. Als ich Vigfús sagte, dass Papa die Rechnung bezahlt habe, wurde er noch wütender und verließ das Zimmer. Ich ließ mich dadurch nicht aus dem Konzept bringen und drehte weiter die Kurbel, als wäre nichts geschehen.
    Vigfús ist viel unterwegs und kommt spät nach Hause. Er nimmt mich nicht mehr so oft in den Arm wie früher, ist kurz angebunden und unaufmerksam. Und abends, unter der Decke, wärmt er mich nicht mehr so wie früher. Es fröstelt mich. Mutter kommt mir in den Sinn, wie sie sich in ihrem Bett wälzt und stöhnt. Darauf wartet, dass Papa nach Hause kommt. Was hält Vigfús auf?
    Das meiste aus Gunnhildurs Paket habe ich schon verarbeitet. Vigfús’ Festtagskleider waren ganz verschlissen. Er lächelt übers ganze Gesicht, als ich ihm die neuen Sachen anpasse. Sie sitzen gut, und er stolziert in der Wohnstube auf und ab, jung und schön. Es sieht ganz so aus, als hätte er mir den Kauf verziehen.
    Hole eine Stoffbahn hervor und fange an, ein Kleid für mich zu nähen. Es eilt nicht, die Sachen für Vigfús sofort fertigzustellen.
    «Wann wirst du dich um den Küchenboden kümmern?», frage ich wie so oft, und langsam kocht der Zorn in mir. Immer noch ist die Hälfte Erdboden, und darauf steht der Herd. Die Erde verteilt sich im ganzen Haus, wie sehr ich auch putze und versuche, alles sauber zu halten. Die Kinder sind nicht achtsam genug, Vigfús auch nicht. Er sieht mich erstaunt an, findet, dass wir ein so schönes Zuhause haben. Nimmt mich in den Arm, lächelt und verspricht schnell einen Boden.
    Das Haus ist kalt. Es ist kleiner als das Schloss, und es müsste leicht sein, es aufzuheizen. Doch die Kälte ist beißend. Nur in der Küche hält sich die Wärme, und ich träume von der alten Stallstube daheim, von der Wärme, die von den Kühen ausging, und von ihren nächtlichen Geräuschen. Dränge die Kinder ständig, fleißig zu sein und sich zu bewegen.
    Vigfús macht kleine Löcher in die Küchendecke. Versucht, Wärme in die eiskalten Schlafzimmer zu bringen, bevor es Abend wird, doch das ändert kaum etwas. Die Kinder stecke ich warm eingepackt ins Bett.
    «Bist du wieder zu Hause, Katrín?»
    Mutter trocknet sich die Augen, offensichtlich hat sie geweint. Du tust, als wenn nichts wäre, drückst sie fest und fragst, ob du einen Schluck Kaffee aufgießen sollst. Sie schüttelt traurig den Kopf. Sie hat ganz sicher Lust auf Kaffee, aber die Bohnen sind knapp, weil im Ausland Krieg ist und es noch weniger Kaffee gibt als sonst. Wenn sie betrübt ist, versuchst du, sie aufzumuntern. Ingi und Prinzessin Anna, die am liebsten ständig wie eine Klette an ihr hängen würde, tun das auch. Nur Stefán wirkt ihr gegenüber schüchtern – oder ängstlich? Er ist wie Vater, nimmt nie jemanden so richtig in den Arm.
    Für dich ist Mutter nicht bloß eine Frau, sondern viele gleichzeitig,und du hast sie alle gern. Trotzdem magst du die Mutter am liebsten, die bei Großvater und Großmutter im Schloss zu Hause war. Sie hat gesungen und Musik gemacht, war lustig und selten schlecht gelaunt. Du vermisst sie.
    Ich arbeite wie besessen. Versuche, zuerst das Langweilige zu erledigen, um mich dann an die Orgel oder die Nähmaschine setzen zu können. Schaffe es fast nie. Die Strickmaschine habe ich schon Monate nicht angerührt. Die Gedichtbände nicht aufgeschlagen. Die Angst lauert auf mich.
    Vigfús ist fest davon überzeugt, dass wir eine Magd brauchen. Zu dem Zeitpunkt bin ich bereits mit dem siebten Kind hochschwanger. Er hat schon mit einem sehr tüchtigen Mädchen gesprochen, und sie wird demnächst zu uns ziehen. Alles dreht sich vor meinen Augen, und ich stütze mich auf den Herd, um nicht hinzufallen.
    «Wir brauchen keine Magd», antworte ich mit zitternder Stimme.
    «Engelchen, jetzt hab dich nicht so», sagt er. «Du weißt, dass das für dich viel zu viel ist. Es ist teuer, sie hier zu haben, aber das gönnen wir uns.»
    «Das gönnen wir uns!», fauche ich und taumle durch die Küche. Ich will keine verfluchte Magd in meinem Zuhause!
    Knalle die Tür hinter mir zu und rase die Wiese hinauf. In mir kocht die Wut, ich setze mich an den Stein, sitze da und stoße Kristbjörgs gesammelte Flüche aus. Schlage die geballten Fäuste gegeneinander, so wie sie es getan hat. Fluche und weine abwechselnd. Schaue hoch zu den Wolken in der

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