Im Schatten dunkler Mächte
ihn nur, wenn man darüber hinwegsah, dass er niedergemetzelte Leichen durch die Gegend trug). Fiona, die Frau, die den Buchladen geführt hatte, bevor ich auf der Bildfläche erschienen war, war so verliebt in ihn gewesen, dass sie versucht hatte, mich zu töten und so ein für alle Mal aus dem Weg zu räumen. Barrons war kraftvoll, wirkte nachdenklich, sah gut aus, warunglaublich wohlhabend, erschreckend intelligent und hatte einen exquisiten Geschmack, ganz zu schweigen von seinem muskulösen Körper, der eine gewisse Autorität ausstrahlte. Fazit: Barrons war aus dem Holz geschnitzt, aus dem Helden gemacht waren.
Und psychotische Mörder.
Wenn ich in Dublin eines gelernt habe, dann, dass es zwischen Helden und Psychopathen nur eine ganz feine Grenze gab.
Ich romantisierte Barrons nicht. Ich wusste seit dem Tag, an dem ich ihm zum ersten Mal begegnet war und er mich mit kalten, uralten Augen angestarrt hatte, dass er ruchlos war. Barrons tat nur das, was ihm am meisten nutzte. Punkt. Er erhielt mich am Leben, weil er mich brauchte. Punkt. Aber eines Tages könnte ich überflüssig werden. Ausrufezeichen!
Warum hatte er einen Unseelie-Spiegel in seinem Arbeitszimmer? Wohin ging er, wenn er ihn betrat? Was machte er, auÃer tote Frauen herumzuschleppen?
Die Schattendämonen in dem Spiegel hatten sich verhalten wie die Schatten in der Dunklen Zone, wenn er an ihnen vorbeiging. Sie machten ihm Platz. Der Lord Master persönlich hatte ihn kürzlich nur einmal angesehen und war gegangen.
Wer war Jericho Barrons? Was war er? Verschiedene Möglichkeiten gingen mir durch den Kopf, eine schlimmer als die andere.
Ich hatte keine Ahnung, was er war, aber ich wusste, was er nicht war . Er war bestimmt niemand, dem ich erzählen würde, was ich am Abend zuvor über das Sinsar Dubh gelernt hatte. Er hütete seine Geheimnisse? Prima. Ich hütete meine.
Auf keinen Fall wollte ich diejenige sein, die JerichoBarrons und das Dunkle Buch noch einmal zusammenbrachte. Er marschierte in ein Unseelie-Heiligtum und machte Jagd auf ein anderes. Lieber Gott, machte ihn das in irgendeiner Weise zu einem Unseelie? Vielleicht hatte eines dieser zarten, transparenten Wesen, die in menschliche Körper schlüpfen können und die ich Gripper nenne, von ihm Besitz ergriffen?
Schon einmal hatte ich diesen Gedanken gehabt, aber schnell wieder verworfen. Jetzt musste ich zugeben, dass ich keine Basis hatte, um diese Möglichkeit auszuschlieÃen. Es sei denn ⦠na ja ⦠ich hatte ihn doch in einem romantischen Licht gesehen und mir eingeredet, dass Jericho Barrons zu zäh und robust war, um sich von jemandem oder etwas einnehmen zu lassen. Woher sollte ich wissen, ob das stimmte? Ich hatte vor gar nicht langer Zeit beobachtet, wie ein Gripper im Temple-Bar-Bezirk in eine junge Frau geschlüpft war. In dem Moment, in dem das Wesen Besitz von der Frau genommen hatte, konnte ich es nicht mehr als Unseelie identifizieren. Die Frau war selbst für meine Sidhe -Seher-Sinne ein ganz normaler Mensch gewesen.
Was, wenn er insgeheim für die Dunklen Mächte arbeitete und mich geschickt wie der Lord Master meine Schwester dazu verführte, das Buch zu suchen? Das würde nahezu alles erklären: seine unmenschliche Kraft, seine Kenntnisse über die Feenwesen, seine Vertrautheit mit den Dunklen Spiegeln, die Schatten, die einen Bogen um ihn machten, der Lord Master, der ihn nicht herausgefordert hatte, weil sie auf derselben Seite standen.
Ich schnaubte frustriert.
Seit ich nach Dublin gekommen war, hatte ich nur einmal das Gefühl gehabt, auf mich selbst aufpassen zukönnen, und das war in der Nacht gewesen, in der mich Mallucé beinahe getötet und ich rohes Unseelie-Fleisch gegessen hatte, um zu überleben. So ekelhaft es war â Feenfleisch verleiht der Person, die es isst, bis zu einem gewissen Grade Feenmacht; es machte einen superstark, heilte tödliche Wunden und vermutlich gewann man auch Kenntnisse in den Schwarzen Künsten.
Ich war mir in jener Nacht vorgekommen, als hätte ich endlich etwas erreicht, und ich brauchte niemanden, der mich beschützte. Ich war imstande gewesen, allen bösen Buben um mich herum in den Hintern zu treten. Auch Mallucé war ich eine ebenbürtige Gegnerin gewesen und beinahe so gefährlich wie Barrons â vielleicht so tödlich, aber nicht ganz so durchtrainiert. Plötzlich war ich eine
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