Im Schatten (German Edition)
er sie an, als sie kurz und scheu zu ihm aufsah. Schnell fiel ihr Blick wieder auf ihre Hände, die nervös ringend auf ihrem Schoß lagen.
» Entschuldigung. Mir ist nur gerade etwas durch den Kopf geschossen.«
» Das habe ich gesehen. Und da heißt es immer, Männer denken zweihundert Mal am Tag an Sex. Wie oft denken Frauen daran? Fünfhundert Mal?«
» Wieso Sex? Vielleicht habe ich ja auch an ein Stück Torte gedacht«, entgegnete Valerie nun etwas kämpferisch, doch Mark lachte leise auf.
» Wohl kaum. So ein Grinsen, wie es Ihnen durchs Gesicht geschossen ist, legen Frauen beim Gedanken an Sahnetorten erst dann an den Tag, wenn sie siebenundneunzig Jahre alt sind und fünf Zentner wiegen.«
Nun musste auch Valerie lachen , und sie erklärte: »Männer denken genau zweimal am Tag an Sex: von acht Uhr früh bis acht Uhr abends und von acht Uhr abends bis acht Uhr früh.«
Nun lachte Mark erst recht. »Da können Sie an manchen Tagen sogar recht haben. Ich hoffe, es war wenigstens schön.«
Er lächelte sie immer noch an , und es war wie das Echo ihres Traums. Hatte sie tatsächlich von Sex mit ihrem Chef geträumt? Aber ja, schön war es gewesen, und so antwortete sie mit einem kurzen, kecken Ja.
Auch als Valerie wieder an ihrem Schreibtisch saß, fiel es ihr schwer, ihre Gedanken voll und ganz auf die Arbeit zu konzentrieren. Immer wieder schweiften sie ab und kreisten um das eine Thema: Sie hatte in der vergangenen Nacht von ihrem Chef geträumt. Nicht irgendein Traum, sondern von Sex mit ihm. Und was für welchen! Wie konnte das nur angehen? Sicher, sie mochte ihn. Er war gutaussehend, charmant, humorvoll, intelligent und aufmerksam. Seine Ausstrahlung hatte eine Mischung aus herber Männlichkeit und jungenhafter Leichtigkeit. Doch das war kein Grund, von ihm zu träumen! Und schon gar nicht Träume solcher Art. Von allen Männern dieser Welt war er für sie das größte Tabu. Entschlossen richtete sie ihre Gedanken auf die Zeichnung vor ihr und bemerkte dabei selbst, dass ihre Lippen schon wieder zu einem Grinsen verzogen gewesen waren. So sehr sie sich auch bemühte, sie schaffte es nicht, sich ausschließlich auf ihre Aufgaben zu konzentrieren, und so stand sie entschlossen auf und ging in die Küche, um sich einen Tee zu kochen. Vielleicht half der ihr ja, sich zu beruhigen. Da sie die Schritte hinter sich erkannte, erschrak sie nicht beim Klang von Marks Stimme.
» Muss ja ’ne ziemlich heiße Nacht gewesen sein. Sie kriegen sich ja gar nicht mehr ein.«
Sein Lächeln war nicht weniger herzlich als sonst, und er schien sich nicht daran zu stören, dass sie ihre Arbeitszeit mit anderen Gedanken verplemperte. Er selbst hatte offensichtlich seine Arbeitszeit mit der Beobachtung von ihr verbracht.
» Kaffee oder Tee«, fragte Valerie ungerührt.
» Kaffee«, entschied er sich schnell und goss sich etwas ein, bevor Valerie auf die Idee kommen konnte, er wollte möglicherweise bedient werden.
» So was kenne ich ja gar nicht von Ihnen«, nahm er den Faden wieder auf. »Wer hätte gedacht, dass Sie sich am Schreibtisch solchen Gedanken hingeben würden.«
» Dachten Sie«, konterte Valerie schnippisch, während Mark vorsichtig an seinem heißen Kaffee nippte, »Frauen in meinem Alter verschwenden keine Gedanken mehr an Sex?« Als Antwort darauf brummte Mark vor sich hin, setzte die Kaffeetasse wieder ab und sah sie ein wenig mürrisch an. »Kommen Sie schon wieder mit Ihrer Methusalem-Nummer? Nein, das meine ich nicht. Aber sonst sind Sie so beherrscht und diszipliniert, achten immer darauf, dass alles seinen richtigen Gang geht, sich alle anständig benehmen, einschließlich ich.« Dabei grinste er wieder.
» Klingt ja ziemlich langweilig«, sagte Valerie säuerlich. »Oberlehrerhaftes Getue von einer, die sich für schlauer hält.«
» Nein, das meine ich nicht. Nicht Oberlehrer oder irgendetwas in der Art. Eher …«, Mark überlegte eine Weile, bis er die richtige Antwort fand, »eher die große Schwester des besten Kumpels.«
» Oh wow, noch interessanter.« Valerie klang nun ganz und gar frustriert. »Was gibt es Schlimmeres, als die große Schwester vom besten Kumpel? Da sind ja die großen Brüder noch besser. Die beschützen einen wenigstens.« Doch Mark lachte herzlich.
» Na ja, jetzt wo Sie es erwähnen, fällt mir ein: Wenn ich so an meine Jugend denke, erinnere ich mich an einige recht interessante Nachhilfestunden.«
Valerie schaltete sofort. »Aber bestimmt nicht Algebra!
Weitere Kostenlose Bücher