Im Schatten (German Edition)
ein durchaus Respekt einflößender Chef werden konnte, sollte Valerie schon am Anfang der nächsten Woche erfahren. Und sie war froh darüber, nicht selbst im Mittelpunkt seines Angriffs zu stehen.
Die Outfits von Tina und Mark an diesem Tag konnten unterschiedlicher gar nicht sein. Tina hatte sich ja von jeher modisch und figurbetont gekleidet, doch was sie seit Marks Eintritt in die Firma an Einblicken gewährte, war kaum noch zu überbieten, zumindest dachte Valerie das. An diesem Morgen nun wurde sie eines Besseren belehrt. Tina hatte den Frauen gegenüber offen bekannt, dass sie auf Mark stand und man »sich schließlich gern von einem Chef wie ihm begrabbeln« ließe. An diesem Tag nun hatte sie es auf die Spitze getrieben. Aus der engen Bluse quollen mehr als nur die Ansätze ihres Busens hervor und drohten jeden Moment herauszuplumpsen oder die Bluse zum Zerplatzen zu bringen. Sie war zudem so durchsichtig, dass ihr BH deutlich zu erkennen war. Ihre eng anliegende Jeans hatte einige gezielt gesetzte Risse, einen genau am Poansatz. Dieses Outfit war nicht nur für die mittlerweile recht kühlen Temperaturen vollkommen unpassend, sondern auch für das Büro. Mark dagegen erschien an diesem Tag in einem grauen Anzug mit Krawatte, ein absolut sensationeller Anblick. Als er das Büro betrat, war Tina gerade auf dem Weg in die Küche, und Valerie sah seinen Blick auf Tinas Hinterteil ruhen.
» Christina!«, sprach er sie an und sie drehte sich abrupt um, wodurch sein Blick von anderen Rundungen gefangen genommen wurde, was Tina zufrieden lächelnd registrierte. »Kommen Sie doch bitte kurz in mein Büro.«
Sofort folgte sie ihm, und er wies ihr einen Platz zu, während er seine Jacke in den Garderobenschrank hängte. Da Tina nicht darauf geachtet hatte, die Tür richtig zu schließen, konnte Valerie ungewollt jedes Wort hören. Ohne Umschweife begann Mark:
»Ich möchte, dass Sie nach Hause fahren und sich umziehen. Ich bin durchaus ein modern eingestellter und toleranter Mensch und gehöre sicherlich nicht zu den Männern, die die Schönheit weiblicher Körper nicht zu schätzen wissen. Aber dieses hier ist ein seriöses Architekturbüro und keine Hostessenvermittlung. Berücksichtigen Sie das in Zukunft bei der Wahl Ihrer Kleidung. Tragen Sie das meinetwegen in der Disko, aber nicht hier. Ich habe Sie schon einige Male vorsichtig darauf hingewiesen, und ich finde es sehr schade, dass ich jetzt so deutlich werden muss. Ausgerechnet heute. Wie Sie wissen haben wir eine wichtige Besprechung, und ich möchte nicht, dass unserer Kunden den Eindruck gewinnen, Sie würden sich hier nur von einem lukrativen Nebenjob erholen. Das war alles, Sie können jetzt gehen.« Marks Stimme war seine Wut deutlich anzuhören, und Tina verließ das Büro mit hochrotem Kopf. Es war das erste Mal, dass Mark jemanden in der Firma zurechtgestutzt hatte und Valerie erkannte, er hatte nicht nur Charme, sondern auch eine gehörige Portion Autorität. Schnurstracks ging Tina ihren Mantel und die Handtasche holen und verschwand. Nur Augenblicke später kam Mark aus seinem Büro und ging in die Küche. Valerie hörte Geschirr klappern. Anscheinend wollte er selbst den Tisch für die Besprechung decken, jetzt wo seine Sekretärin nicht da war. Wortlos stand sie auf, ging zu ihm, füllte den Kaffee in eine Thermoskanne und setzte neuen auf. Dann tat sie Kekse auf zwei Teller und brachte sie in den Besprechungsraum, wo Mark den Tisch deckte. Gemeinsam machten sie alles fertig, und Valerie wollte gerade wieder an ihren Arbeitsplatz gehen, als er ihre Hand nahm und sie zurückhielt. Lächelnd sah er sie an, und seine Wut schien verflogen.
» Danke.«
» Wofür?«, fragte Valerie verständnislos.
» Für alles.« Mit einer Geste wies Mark auf den Tisch und dann auf ihre Erscheinung, denn sie hatte an diesem Tag angesichts der Besprechung ein elegantes Kostüm angezogen. »Sie sind da, wenn ich Sie brauche, Sie haben immer den richtigen Stil und die passenden Worte. Ich kann mich einfach blindlings auf Sie verlassen, und das erleichtert mir den Einstieg hier ernorm.« Lächelnd nickte sie und ging, um die Unterlagen für die Besprechung zu holen.
Ein paar Tage später stand Valerie vor dem Spiegel und betrachtete das Bild dort drinnen intensiv. In ihre braunen Haare mischten sich bereits einige graue Strähnen und unter ihren Augen waren deutliche, von Müdigkeit gekennzeichnete Ränder zu erkennen. Eigentlich hatte sie ein hübsches
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