Im Schatten (German Edition)
Mark die ersten Silben beinahe, während er die letzte leicht betonte. »Sie bringen mich zum Lachen. Das gefällt mir.« Valerie sah verlegen zum Boden, und Mark ging hinaus.
Blöderweise mag ich dich auch , dachte sie.
S chockartig erwachte Valerie ein paar Tage später, als wäre sie von schlimmsten Alpträumen gequält worden. Ihr Herz wummerte, Schweiß drang ihr aus nahezu allen Poren und die Erregung, die sie erfasst hatte, durchflutete immer noch ihren Körper. Schon jetzt, Sekunden nach dem Erwachen, konnte sie sich nicht mehr an das Gesicht erinnern, sehr wohl jedoch an den jungen, schlanken und gleichzeitig muskulösen Körper, der sie verwöhnt hatte. Verwirrt schüttelte sie den Kopf, als könnte sie sich dadurch Klarheit verschaffen. Wie kam sie nur zu solchen Träumen? Weder hatte es anregende Szenen in dem Fernsehfilm gegeben, den sie am Abend zuvor mit Werner gesehen hatte, noch solche in dem Buch gelesen, in dem sie kurz vor dem Einschlafen noch ein weinig geblättert hatte. Werner! Er lag neben ihr, und sie konnte die ruhigen, gleichmäßigen Atemzüge hören. Es war schon einige Zeit her, dass sie miteinander geschlafen hatten. Sie hatten viel Spaß gehabt, am Anfang ihrer Beziehung - in jeder Hinsicht. Sie waren ausgegangen, ins Kino, zum Tanzen, in Kneipen, allein oder mit Freunden. Sie hatten sich geliebt und dabei alle Varianten ausprobiert, die ihnen eingefallen waren. Dann eines Tages hatte Werner einen besser bezahlten Job angenommen. Wochenlang war der gelernte Elektriker auf Montage gewesen und nur gelegentlich am Wochenende nach Hause gekommen. Manchmal war er dann komisch gewesen, irgendwie abwesend. Sie hatte versucht, es zu ignorieren. Im Laufe der Jahre hatten sich dann die Kinder eingestellt. Valerie war allein mit allem gewesen: den Geburten, den schlaflosen Nächten, den plötzlichen Fieberattacken. Dann, nach mehr als zehn Jahren, hatte Werner genug vom Nomadenleben gehabt und sich eine andere Arbeit in der Nähe gesucht. All die Jahre hatte Valerie darauf gewartet, nun stand er plötzlich überall im Weg. Sie hatte sich auf ein Leben als alleinerziehende Mutter eingestellt. Nun redete ihr ständig jemand herein, sortierte Geschirr und Wäsche falsch ein und verlangte zudem pausenlos Aufmerksamkeit und Unterhaltung. Wenn sie selbst abends müde aufs Sofa sackte, war Werner noch fit genug für Unternehmungen. Und auch wenn er etwas Zärtlichkeiten von ihr wollte, fühlte sie sich oft, belastet durch Haushalt, Kinder und Beruf, viel zu ausgelaugt. So war es immer weniger geworden. Und während Valerie zu Zeiten der Montagetätigkeiten ihres Mannes noch die Augen davor verschlossen hatte, ob Werner sich wohlmöglich woanders holte, was er brauchte, war es bald für sie unübersehbar geworden. Die Gefühle klangen allmählich ab, und irgendwann war das Zusammenleben zur Gewohnheit geworden.
Es war durchaus nicht so, dass Valerie nicht das Bedürfnis verspürt hätte. Und es war auch nicht so, dass sie nicht dafür gesorgt hätte, dieses selbst zu stillen, doch der Traum in dieser Nacht war etwas anderes gewesen. Nicht das bloße Verlangen und seine Befriedigung sondern die Sehnsucht nach einem Mann, Zärtlichkeiten und Streicheleinheiten, stundenlangen Küssen und schließlich der Vereinigung von Körpern. Valerie sah auf die Uhr. Noch eine knappe halbe Stunde bis zum Weckerklingeln. Es lohnte sich nicht mehr, erneut den Schlaf zu suchen, und sie war auch viel zu verwirrt und aufgedreht dazu. Also stellte sie den Wecker aus und stand auf. Eine ausgedehnte Dusche half nicht nur den Schweiß auf ihrer Haut, sondern auch einen Großteil der plötzlichen und störenden Gedanken zu vertreiben.
Als sie zur Arbeit fuhr , hatte sich ihr Kopf wieder soweit geklärt, dass sie schon beinahe darüber lachen konnte. Wie üblich war sie schon seit zwei Stunden in ihre Arbeit vertieft und verschwendete keinen Gedanken mehr an ihre nächtlichen Fantasieabenteuer, als auch der letzte Kollege eintraf. Irgendwann am Vormittag bat Mark sie mit seinem gewohnt charmanten Lächeln zu einer Durchsprache in sein Büro. Sie war dabei, auf dem Besucherstuhl Platz zu nehmen, als ihr schlagartig und mit einer Heftigkeit, die ihr die Röte ins Gesicht trieb, die Erkenntnis kam, dass es genau dieses Lächeln gewesen war, das sie in ihrem Traum verfolgt hatte. Verlegen grienend senkte sie den Kopf, doch es war zu spät, denn Mark hatte es bereits bemerkt.
» Ein Königreich für Ihre Gedanken.« Breit grinste
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