Im Schatten (German Edition)
immer weniger. Bis wir uns fast nur noch anschwiegen.«
Hinzu kam immer wieder Streit, weil Werner sich nicht an die inzwischen festgelegte Ordnung im Haushalt halten wollte. Räumte er die Geschirrspülmaschine aus, brauchte Valerie oft Tage, um alles wiederzufinden. Feudelte er, hatte er grundsätzlich nicht vorher gefegt, so dass er den Schmutz lediglich gebündelt von einer Ecke in die nächste geschoben hatte.
» Schließlich hat sie mich komplett von der Hausarbeit ausgeschlossen. Es würde ihr mehr Arbeit machen, wenn ich ihr helfe, weil sie dann immer Stunden damit zubringen musste, den Unfug, den ich angestellt habe, wieder in Ordnung zu bringen. So war sie abends oft müde, wenn ich etwas unternehmen wollte, oder hatte keine Zeit. Na ja, es gibt auch hier schöne Frauen.«
Eine Weile schwieg Werner, dann setzte er hinzu: »Davon wusste sie allerdings nichts.«
Sei dir da mal nicht so sicher , dachte Katherine wütend, doch sie sagte nichts.
*
11 . September 2006
Warum nur rede ich mit Mark über Dinge, die ich sonst niemandem anvertraut habe? Nicht einmal Mom habe ich von Werners Seitensprüngen erzählt. Und nun rede ich mit diesem Fremden darüber, als wäre er mein bester Freund.
Es war bereits relativ spät, als Valerie Feierabend hatte, aber komischerweise störte es sie nicht wirklich. Im Gegenteil, die Arbeit mit Mark zusammen befriedigte sie wesentlich mehr, als das Kochen und Putzen in ihrem Haushalt, was nun unweigerlich auf sie wartete. Sicher war Werner schon zu Hause und wartete ungeduldig auf sein Essen. Beim Gedanken daran verzog sie unwillkürlich das Gesicht. Wie viele Jahre ging das nun schon so, tagein, tagaus? Sie stand am Morgen stets als Erste aus der Familie auf, machte sich im Badezimmer fertig und deckte dann den Frühstückstisch. Wenn alle fertig waren, war es an ihr, die Reste wieder zu beseitigen. Die Mittagspause nutzte sie nicht selten für kleinere Einkäufe, und nach Feierabend machte sie sich zu Hause ans Aufräumen, Wäsche waschen und Kochen. Der Samstag wurde in der Regel für den Wocheneinkauf und den Großputz genutzt, und der Sonntagvormittag war mit Kochen ausgebucht, denn Werner erwartete zumindest an dem Tag, an dem sie ja schließlich genug Zeit dafür hatte, ein ausgefeiltes Essen. So blieben ihr dann noch die Samstag- und Sonntagnachmittage, um, während im Fernsehen die Sportschau und ähnlich interessante Sendungen liefen, die Wäsche zu bügeln, Strümpfe zu stopfen und den einen oder anderen Pullover zu stricken. Gelegentlich kam sie sogar dazu, einen kleinen Spaziergang zu machen. Mehr als einmal hatte sie sich gefragt, ob das wirklich alles war, was ihr das Leben zu bieten hatte. Doch selbst wenn sie eine Idee für ein Hobby gehabt hätte, wann sollte sie es ausführen? Wenn sie am Abend endlich wirklich Feierabend hatte, war sie oft zu müde, um irgendetwas anderes zu tun, als sich auf das Sofa fallen zu lassen und das Fernsehprogramm, das ihr Mann gewöhnlich auswählte, halbherzig zu verfolgen. Zumindest ihre Arbeit machte ihr Spaß und das seit jeher. Genau darum hatte sie sich auch vor einigen Jahren entschlossen, wieder ganztags zu arbeiten. Die Kinder waren schon groß gewesen und oft selbst erst am Nachmittag aus der Schule gekommen. Also hatte Valerie das Angebot ihres damaligen Chefs gern angenommen. In den letzten Wochen nun ging sie also sogar noch lieber zur Arbeit. Die Projekte waren zurzeit besonders interessant und das Klima im Büro gut. Mark schaffte es mit sehr viel Feingefühl, seine Mitarbeiter zu lenken. Beim Gedanken an ihn wurde Valerie ein klein wenig traurig. Er würde für drei Tage außer Haus sein, hatte er heute Mittag verkündet. Schade. Er hatte eine so aufmunternde und mitreißende Art, die das ganze Team begeisterte. Er brauchte sie nur einmal zur Begrüßung anzulächeln, und schon waren alle Müdigkeit, aller Ärger und alle Alltagssorgen vergessen, und sie konnte sich mit neuem Elan ans Werk machen. Noch immer war Valerie morgens die Erste im Büro und kochte Kaffee, bevor die Kollegen nach und nach eintrafen. Mark war nach wie vor meist der Letzte, der kam und sein Auftritt war noch immer genauso unspektakulär aber unverändert atemberaubend wie am ersten Tag. Und ebenso unverändert war Werners Verdruss über die späten Feierabende seiner Frau. Er meinte, sie hätte doch nun wirklich genug Zeit, ihren Job zu erledigen, wenn sie morgens schon so früh losfuhr. Ihre Überstunden seien doch nun
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