Im Schatten (German Edition)
Baustelle als Walter Huber, Hauptinvestor und Initiator für den Bau des neuen Bürohauses. Mark schien Frau Schneekloth einiges zu erklären, doch obwohl diese die ganze Zeit gebannt an seinen Lippen hing, schüttelte sie den Kopf und entgegnete etwas, das Mark veranlasste, zum Handy zu greifen und ein offensichtlich erregtes Telefongespräch zu führen. Danach richtete er noch einige Worte an seine ursprüngliche Gesprächspartnerin, während er sein Handy wieder in die Tasche steckte. Die andere Hand ruhte dabei, wie Valerie feststellte, wie selbstverständlich auf dem Arm der jungen Frau. Angesäuert sah Valerie fort, registrierte jedoch im letzten Augenblick, dass Mark sich suchend umsah. Offensichtlich wurde er fündig, denn wenige Augenblicke später stand er an ihrer Seite:
» Ich fahre mit Frau Schneekloth ins Büro. Huber hat mal wieder seine Tage.« Wenig begeistert verzog er das Gesicht. Schon einige Male hatten sie die etwas unbequeme Art ihres Auftraggebers zu spüren bekommen. Nun reichte Mark den Autoschlüssel an Valerie weiter.
» Hier, nimm du den Wagen. Ich nehme mir nachher ein Taxi.«
Bereits während der ganzen Anfahrt im Auto, Flugzeug und dann wieder im Mietwagen hatte Mark sie im Gegensatz zu den Wochen vorher geduzt und ihre Gespräche waren fröhlich, ausgelassen und überwiegend von privater Natur gewesen. Insgeheim hatte Valerie sich Hoffnung auf einen gemeinsamen Abend und mehr gemacht, doch die sollte nun je zerstört werden. Denn nachdem er sie verlassen hatte, beobachtete sie wieder, wie Marks Hand zum Ellenbogen der Frau glitt und er sie von der Baustelle zu ihrem Auto führte. So viel also zum Thema: »Ich schlafe normalerweise nicht mit Frauen, mit denen ich beruflich zu tun habe.«
Es war bereits kurz vor siebzehn Uhr und langsam kehrte Ruhe auf der Baustelle ein. Gut eine Stunde später kam auch Valerie im Hotel an. Sie duschte, zog sich um und ging dann ins Restaurant, in der Hoffnung ihn dort zu treffen, doch natürlich war er nicht da. Lustlos kaute sie an ihrem Salat herum, und als sie schließlich fast eine Stunde dort verbracht hatte, ging sie in ihr Zimmer, legte sich aufs Bett und las in ihrem Buch. Mit aller Gewalt versuchte sie ihre Gedanken von der Vorstellung zu reißen, was für eine Art Besprechung er wohl gerade mit Frau Schneekloth hatte. Dennoch ließ sich nicht verhindern, dass sie unglücklich und neidisch war und sie tatsächlich bei einer rührenden Stelle ihres Romans zu weinen begann. Unwillig wischte sie sich die Tränen ab und schimpfte sich selbst eine dumme Kuh. Plötzlich surrte ihr Handy: eine SMS. Wer konnte das sein? Werner, der wissen wollte, ob sie noch irgendwo etwas zu essen für ihn versteckt hatte? Ungläubig sah sie auf die Anzeige. Die SMS war von Mark. Noch nie hatte er ihr eine Nachricht geschrieben. Beinahe schon ein wenig ungeduldig öffnete sie sie. Sie lautete schlicht und einfach:
» Bist du noch wach?«
Die Antwort war ein einfaches Ja, genau wie auf die zweite Frage, die nun kam:
»Darf ich zu dir rauf kommen?«
Wenig später klopfte er leise an ihre Tür, und Valerie sprang förmlich vom Bett, um ihm zu öffnen. Noch immer in seine dicke Jacke gehüllt brachte er eine ungeheure Kälte mit ins Zimmer, und als er dicht bei ihr stand und mit beiden Händen ihre Wangen streichelte, musste sie sich zusammenreißen, um nicht zurückzuzucken.
» Du bist ja eiskalt«, sagte sie stattdessen nur. Seine Erklärung war einfach und er brachte sie, als gäbe es nichts Selbstverständlicheres auf der Welt:
» Ich bin zu Fuß gekommen.«
» Die ganze Strecke?«, fragte Valerie ungläubig. »Das ist ja ein Marsch von mindestens …«
» … anderthalb Stunden«, ergänzte Mark ungerührt.
» Bist du pleite, dass du dir kein Taxi leisten kannst?« Leise lachte Mark auf.
» Nein. Aber ich brauchte frische Luft. Huber ist dermaßen behämmert, es ist einfach unglaublich. Ich habe geschlagene drei Stunden mit ihm herumdiskutiert, weil er plötzlich alles Mögliche wieder über den Haufen werfen will. Anderes Dach, nur noch halb so viele Glaselemente an der Nordfront, andere Sanitäranlagen und was weiß ich nicht noch alles. Mir dröhnt immer noch der Schädel.«
» Fällt ihm ja ungeheuer früh ein.« Noch immer standen sie an der Zimmertür, doch hatten sie nun beide die Arme umeinander geschlungen.
» Hab ich ihm auch gesagt. Auf jeden Fall musste ich mich erstmal abreagieren und bin einfach losmarschiert. Und jetzt brauche ich
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