Im Schatten (German Edition)
wenn das kein erfolgreicher Tag war, weiß ich auch nicht.« Den ganzen Tag über waren sie auf der Baustelle gewesen und hatten getrennt voneinander den Baufortschritt begutachtet, Unklarheiten geklärt und telefonisch Verhandlungen geführt. Für Valerie war es besonders anstrengend gewesen, denn sie hatte sich mit einem Lieferanten herumplagen müssen, der falsches Baumaterial geliefert hatte, und nun ihr die Schuld in die Schuhe schieben wollte. Die Beauftragung sei fehlerhaft gewesen, hatte er behauptet. Es hatte einige Zeit gedauert, bis sie die Unterlagen vom Büro gefaxt bekommen hatte und ihm den Wind aus den Segeln nehmen konnte. Dennoch war es nicht zu verhindern gewesen, dass es durch die fehlerhafte Lieferung zu einer Verzögerung kommen würde, doch sie hatte es durch diverse Umdisponierungen mit Gewerken, die vorgezogen werden konnten, geschafft, zumindest einen Teil wettzumachen. Mark war sehr zufrieden gewesen, als er mitbekommen hatte, wie sie das Chaos in den Griff bekommen hatte.
» Ich wusste doch, dass ich mich auf dich verlassen kann«, sagte er nun. »In welches Lokal darf ich dich zur Belohnung einladen?«
Valerie überlegte eine Weile, bis ihr einfiel:
»Ich würde gern mal in Auerbachs Keller.«
Also machten sie sich auf den Weg dorthin. Sie wusste eigentlich nicht genau warum, doch sie hatte sich immer eine kleine, düstere Kneipe darunter vorgestellt, die ein wenig heruntergekommen wirkte. Stattdessen fand sie sich in einem großen, gepflegten Weinlokal wieder, in dem stetiges Treiben herrschte. Sie aßen gut und amüsierten sich dabei köstlich darüber, dass der Herr Mephistofiles, der gemeinsam mit Dr. Faust auf einem Weinfass an der Seite des Lokals saß, eine gewisse Ähnlichkeit mit John Lennon hatte.
»›Give peace a chance‹ kauft man ihm doch ohne Weiteres ab, oder?« Mark grinste über das ganze Gesicht, und Valerie musste lachen. Sie waren in äußerst ausgelassener Stimmung und der Wein, den Valerie trank, unterstützte das noch. Sie fragte sich, wie dieser Abend wohl enden würde. Würde er mit ihr aufs Zimmer kommen? Oder sie dort abliefern und sich dann nach einem anderen Zeitvertreib umsehen? Es wäre nicht das erste Mal, dass er sie nach einem schönen gemeinsamen Abend abblitzen ließe, auch wenn dies seit längerer Zeit nicht mehr vorgekommen war. Doch die Angst blieb. Sie hatte keinerlei Ansprüche ihm gegenüber und konnte froh sein über alles, was sie überhaupt mit ihm erleben durfte. Als sie nach dem Essen das Lokal verließen, streckte sie sich genießerisch. Die Luft war herrlich und es war angenehm warm.
» Was hältst du von einem Spaziergang?«, fragte Mark, und Valerie stimmte gern zu. Es war noch relativ früh am Abend, und sie hatte noch keine Lust zum Hotel zurückzufahren, zumindest dann nicht, wenn sie an eine der beiden Alternativen, wie sie ihren Abend verbringen würde, dachte. Also setzten sie sich in Bewegung, während sie sehr schnell wieder den Gesprächsfaden aufnahmen. Sie hatten irgendwie nie Probleme, ein Thema zu finden und es entstand nie ein peinliches Schweigen, obwohl sie es in der Regel vermieden, sich außerhalb der Arbeitszeiten über die Firma oder die Bauprojekte zu unterhalten. Sie waren nur wenige Schritte gegangen, als Valerie spürte, wie er ihre Hand nahm. Das hatte er noch nie vorher getan, doch an diesem Abend liefen sie Hand in Hand nebeneinander her.
» Was sagt eigentlich dein Mann dazu, dass du fast jede Woche auf Dienstreise bist? Er ist bestimmt nicht besonders begeistert, oder?«, fragte Mark.
» Nein. Es gibt ständig Diskussionen darüber, wieso ich nicht einfach meinen Job machen kann wie früher. Um sieben anfangen, um vier Schluss machen und dann ihn bedienen. Schließlich musste ich früher ja auch nicht ›Karriere machen‹.«
Valerie hatte die ständigen Diskussionen schon lange satt, doch Werner fing jedes Mal wieder an, wenn sie ihm von der bevorstehenden nächsten Reise erzählte. Er konnte nicht begreifen, warum sie die ihr angebotene Chance sofort ergriffen hatte, ohne ihn auch nur nach seiner Meinung zu fragen. Er war einfach vor vollendete Tatsachen gestellt worden und ärgerte sich immer noch sehr über die Konsequenzen.
» Dann muss er jetzt wohl ab und zu in der Kantine essen, wenn du nicht zum Kochen zu Hause bist. Geschieht ihm recht, dem faulen Sack.« Mark grinste.
» Och komm, tu nicht so, als wärst du ein Heiliger«, neckte Valerie. »Wenn du nach Hause kommst, schwingst du
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