Im Schatten (German Edition)
mit ihm verbringen durfte, und das sagte sie dann auch:
» Und du feierst deinen Geburtstag ausgerechnet mit mir?«
» Ist ja niemand anderes da, oder?«
Valerie fühlte sich plötzlich, als hätte ihr jemand ins Gesicht geschlagen. Eben noch auf Wolke sieben war sie nun sehr unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückgezogen worden, und sie konnte nicht verhindern, dass Tränen in ihr aufstiegen. Auch Mark sah es und griff sofort ihre Hand:
» Hey, das war ein Scherz! Ich hab den Termin extra so gelegt. Och komm, Baby, mach nicht so ein Gesicht. Du weißt doch ganz genau, dass ich das nicht ernst gemeint habe.«
Er zog die leicht widerspenstige Valerie fest in seine Arme und streichelte ihre Trä nen fort.
» Ey du kleine Rübennase, du bist doch sonst immer diejenige, die einen frechen Spruch auf den Lippen hat. Warum nimmst du es dir plötzlich so zu Herzen, wenn ich dich mal ein bisschen foppe?«
Weil es wehtut zu erfahren, dass man bedeutungslos ist, während man selbst so sehr liebt , dachte sie. Doch sie sagte es nicht. Er sah ihr intensiv in die Augen, und sie hatte das Gefühl, er würde ihre Gedanken lesen.
» Hallo! Nun komm schon, schmoll nicht mit mir. Es hat mich alle Mühe gekostet, Huber davon zu überzeigen, dass wir uns heute treffen und nicht am Freitag. Ich möchte einfach nur den Abend mit dir genießen. Und außerdem möchte ich heute auch noch mein Geschenk von dir.«
Er lächelte sie an, beugte sich zu ihr herunter und küsste sie so zärtlich, dass sie ihm tatsächlich glaubte. Augenblicklich riss sie sich zusammen und schob die störenden Gedanken fort, wie schon so oft. Doch sie war sich schon lange darüber im Klaren, dass der Schmerz sich zwar für Momente fortschieben ließ, er aber immer neue Narben auf ihrer Seele hinterließ.
Als Valerie einige Tage später am Morgen aufwachte, fühlte sie sich wie durch den Fleischwolf gedreht. Jeder Knochen und jeder Muskel tat ihr weh. Ihre Nase war verklebt und die Augen zugeschwollen, als hätte sie gerade einen Boxkampf mit einem besonders überlegenen Gegner hinter sich. Ihr Mund war trocken und fühlte sich an, als hätte sie nicht nur die ganze Nacht mit offenem Mund geschlafen, sondern auch heftig geschnarcht. Angesichts des Zustands ihrer Nase vermutete sie dies auch. In Ermangelung ihrer Mandeln, die sie bereits in ihrer Kindheit hatte opfern müssen, schmerzte ihr der ganze Hals und auch im linken Ohr trat ein unregelmäßiges, jedoch heftiges Ziehen auf. Schon am Abend vorher war sie von heftigen Niesattacken heimgesucht worden. Dass es jedoch so schlimm werden würde, hatte sie nicht erwartet. Ihre letzte schwere Erkältung lag mehr als drei Jahre zurück. Und nun musste es sie ausgerechnet jetzt erwischen. Mühevoll richtete sie sich auf, und augenblicklich fing ihre Nase zu laufen an. Hektisch suchte sie nach einem Taschentuch. Verdammter Mist, dachte sie. An einen lauten Fluch war gar nicht zu denken, denn ihre Stimmbänder ließen sich zu keinerlei Aktivitäten ermuntern. Eine Weile saß sie bewegungslos auf der Bettkante, gebeugt wie eine alte Frau und den Kopf tief zwischen die Schultern gezogen, denn je höher sie ihn nahm, um so eher drohte er zu zerspringen. Sie versuchte sich auf einen Punkt zu konzentrieren, weil jede Bewegung Schwindelgefühle verursachte. Schließlich, als ihre gefüllte Blase keinen weiteren Aufschub mehr zuließ, stand sie sich am Bettrahmen festhaltend vorsichtig auf, hangelte sich an den Wänden entlang zum Badezimmer und sah dort in den Spiegel. Sie war blass im Gesicht und die Augen glänzten fiebrig. Es half nichts. Sie würde ein paar Tage im Bett verbringen müssen. Niemandem nützte es etwas, wenn sie sich zur Arbeit quälte. Sie würde nur ihre Genesung verzögern, die Kollegen anstecken und sich doch auf nichts konzentrieren können. Zurück im Bett weckte sie Werner, teilte ihm krächzend mit, er müsse das Frühstück selbst machen und Norman wecken. Sie hörte ihn noch unzufrieden vor sich hinbrummen, bevor sie die Decke bis zu den Ohren hochzog und augenblicklich einschlief.
Etwa eine Stunde später erwachte sie wieder. Es zog nun wesentlich stärker in ihrem Ohr und sie befürchtete, sich eine Mittelohrentzündung eingefangen zu haben. Aus der Küche waren die Stimmen der Männer zu hören, die sich beim Frühstück unterhielten. Valerie hatte furchtbaren Durst, doch sie konnte sich nicht aufraffen, erneut aufzustehen, zu sehr schmerzte ihr der Kopf. Sie wollte rufen, Werner
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