Im Schatten (German Edition)
dieser Nacht nicht fertigbringen, neben ihrem Mann zu liegen. Die Küche war inzwischen tatsächlich aufgeräumt, und im Kühlschrank fand sie noch Tomaten und Paprika, einen Eisbergsalat, eine Salatgurke und Radieschen. Zusammen mit einer kleinen Dose Mais und etwas Dressing würde das eine ganz anständige Mahlzeit ergeben. Wenig später saß sie in ihrem improvisierten Bett und ließ es sich schmecken. Die Tür des Zimmers hatte sie geschlossen, denn sie wollte weder etwas von Werner hören noch sehen. Aber Mark hätte sie gern gesprochen und so holte sie ihr Handy und schrieb ihm eine SMS:
» Hi, habe Stress mit W. Würde gern noch einmal deine Stimme hören. LG V.«
Sicher würde er sie anrufen, wenn er die SMS gelesen hatte. Was er jetzt wohl tat? Ob er noch ausgegangen war, vielleicht etwas Essen? Sie wusste, er ging oft abends noch weg, denn er war nicht gern allein. Manchmal traf er sich mit Freunden, manchmal war er aber auch allein unterwegs. Dort traf er dann die Frauen, die in regelmäßigen Abständen in seinem Bett landeten. Aber doch sicherlich nicht heute Nacht. Nicht, nachdem er zwei Nächte lang mit ihr zusammen gewesen war, oder? Warum rief er nur nicht an oder antwortete zumindest mit einer SMS? Er konnte doch nicht allen Ernstes ausgerechnet heute Nacht wieder in sein sonstiges Schema fallen. Doch ganz offensichtlich war es so, denn er ignorierte sie weiterhin. Der Salat schmeckte plötzlich fade und nach einigen weiteren Versuchen gab sie auf und stellte ihn beiseite. Vielleicht später. Konnte doch sein, sein Akku war leer, dachte Valerie, aber sie glaubte sich selbst nicht. Nein, er war irgendwo da draußen, suchte oder lag schon in den Armen einer schönen, jungen Frau. Immer wieder versuchte Valerie sich abzulenken, doch sie sah deutlich dieses Bild vor Augen. Auch als sie das Licht gelöscht hatte. In ihr brodelte ein Gemisch aus Wut, Frustration und Enttäuschung. Auch er war nicht besser als Werner. Auch er benutzte sie nur und lachte sich vermutlich auch noch kaputt über ihre Naivität. Unruhig wälzte sie sich hin und her, und der Zauber der gemeinsam erlebten Stunden war schon längst verflogen.
Am nächsten Morgen war sie nicht gerade sonderlich ausgeschlafen, doch immerhin wurde sie von ihrem Sohn wesentlich freundlicher begrüßt, als am Vortag von ihrem Mann. Wie üblich war sie die Erste im Büro, und als Mark kam, bat er sie nach einer kurzen Begrüßung zu sich. Da er ihr nicht gesagt hatte, worum es ging, nahm sie sich nur etwas zu schreiben mit und ließ sich auf den Besucherstuhl fallen. Er kam sehr schnell zur Sache:
» Es tut mir leid, Val«, sagte er leise, die Koseform benutzend, die er sonst nur in sehr intimen Momenten aussprach. »Ich habe deine SMS erst heute früh gelesen. Ich hatte mein Handy gleich, nachdem ich zu Hause angekommen bin, ausgeschaltet.«
Ja, damit du dich in aller Ruhe mit deinem Betthasen amüsieren konntest , dachte Valerie säuerlich.
» Ich war einfach nur müde, bin unter die Dusche und dann gleich ins Bett und hab noch ein bisschen ferngesehen. War es sehr schlimm?«, fragte er sanft in ihre Gedanken hinein. Gegen ihren Willen ließ die Wut ein wenig nach.
» Na ja. Ich kam nach Hause, und da herrschte totales Chaos. Mir ist unbegreiflich, wie zwei Menschen innerhalb so kurzer Zeit so viel Unordnung machen können. Und dann hat er mich auch noch angequakt, ob ich mich gut amüsiert hätte. Tja, mein schlechtes Gewissen hat es nicht gerade einfacher gemacht.« Eine Weile schwieg sie betreten, und Mark fragte:
» Und dann?«
» Wir haben uns ziemlich gezofft. Schließlich habe ich ihm gedroht auszuziehen, wenn er das Chaos nicht beseitigt.«
» Und hat er?«
» Ja. Zähneknirschend und nicht ohne Scherben.« Valerie grinste schief.
» Und habt ihr euch wieder versöhnt?«, fragte Mark zögernd. Wollte er wissen, ob sie in dieser Nacht mit Werner im Bett gewesen war? Und wenn ja, wieso? War er etwa eifersüchtig? Das konnte Valerie sich beim besten Willen nicht vorstellen. Doch als sie antwortete: »Nein, ich habe in Kathys Zimmer geschlafen«, sah sie ihn aufatmen. Dann sagte er noch immer leise:
» Du kannst mich auch zu Hause anrufen, wenn etwas ist.«
» Was?!« Valerie sah ihn ungläubig an.
» Ich bin doch ohnehin meistens allein. Und wenn Connie tatsächlich mal da sein sollte und zufällig rangeht, kannst du irgendetwas sagen, wie: Du hättest vergessen, mir Bescheid zu geben, dass du am nächsten Tag später ins Büro
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