Im Schatten meiner Schwester. Roman
es nicht gefallen, aber Molly wusste nicht, was sie sonst sagen sollte. Sie hatte ihn hergebeten. Wofür? Einen einstündigen Besuch?
Er nieste ein letztes Mal und putzte sich die Nase. »Nein. Mir geht es gut. Aber ich dachte, ich bleib noch ein paar Tage in der Stadt, wenn ich schon mal hier bin.« Er steckte das Taschentuch in die Tasche und wirkte wachsam. »Wie lange … Hat deine Mutter gesagt, was sie tun wird?«
»Sie will nicht drüber reden.« Doch Kathryn hatte Robins Führerschein nicht gesehen. Sie war am Donnerstagmorgen, als die Ärzte es erwähnt hatten, strikt gegen eine Organspende gewesen. Sobald sie von Robins Gefühlen erführe, würde das vielleicht anders sein.
»Ich habe ein Zimmer im Hanover Inn reserviert«, sagte er mit einer immer noch leicht nasalen Stimme. »Meinst du, du könntest mich dort absetzen?«
Molly zeigte zum Auto und fuhr ihn die kurze Strecke hin. Sobald sie dort waren, zögerte sie es hinaus, ihn gehen zu lassen, auch wenn sie sich des Führerscheins in ihrer Tasche nur allzu bewusst war. Sie konnte sich vorstellen, dass auch Robin dieses Zögern empfunden hätte, und schlug ein Mittagessen vor.
Peter bestellte einen dicken hausgemachten Burger. Robin hätte ihn deshalb vielleicht geneckt und eine Weile mit ihm gestritten. Und Molly? Ihr fiel einfach nichts ein, was sie sagen könnte, war sich jedoch nicht sicher, ob Peter das überhaupt bemerkte. Er wirkte gedankenverloren. Es war ein ruhiges Mahl.
Als sie fertig waren, zog er eine Karte heraus und kritzelte eine Nummer auf die Rückseite. »Hier ist meine Handynummer. Rufst du mich bitte an, wenn was passiert?«
Sie nahm die Karte und betrachtete die Nummer. Ihre Mutter würde sich vielleicht aufregen. Sie würde vielleicht das Gefühl haben, dass Peter kein Recht auf einen kontinuierlichen Kontakt hatte. Doch Robin hätte die Karte genommen.
Molly steckte sie in die Tasche und fuhr Richtung Krankenhaus. Kathryn war allein dort. Sie sah aus, als ob sie wieder geweint hätte.
Molly zögerte, fragte sich, ob der Führerschein wohl helfen oder schaden würde. Doch sie konnte ihn nicht ignorieren. Sie zog die kleine Plastikkarte aus ihrer Tasche und reichte sie Kathryn.
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18
K athryn konzentrierte sich eine Minute. Sie hatte Robins Führerschein schon vorher gesehen. Verblüfft starrte sie Molly an, die auf die kleine Kennzeichnung zeigte.
Als sie deren Bedeutung erfasste, begann Kathryns Herz zu hämmern.
Erschrocken fragte sie: »Wusstest du davon?«
»Erst seit heute. Ich nahm ihn raus, weil ich dachte, dass Peter vielleicht etwas von Robin mitnehmen wollte. Da sah ich die Kennzeichnung.«
Kathryn studierte den Führerschein erneut. »Noch etwas, was ich nicht wusste«, murmelte sie und hob den Blick. »Hätte sie das nicht gegenüber ihrer Familie erwähnen sollen, bevor sie es unterschrieb?«
»Das ist doch keine große Sache, Mom. Im Moment sehr politisch korrekt. Ihre Freunde haben wahrscheinlich das Gleiche gemacht.«
»Und du?«, fragte Kathryn.
»Nein, doch ich stehe ja auch nicht auf Joghurt und Kräutertee«, antwortete Molly ruhig. »Aber es ist gängige Praxis, wie der Boykott von Pelzen oder die Weigerung, Kalbfleisch zu essen. Ich bin grün, wenn es um Pflanzen geht, aber die anderen Sachen mache ich nicht. Frag mich nicht, warum.«
Die Antwort war für Kathryn offensichtlich. »Du machst sie nicht, weil Robin sie macht.« Sie sah wieder auf den Führerschein. »Ich wünschte, sie hätte es mir erzählt.«
»Sie hat wohl gedacht, sie würde dich überleben.«
»Ich auch«, meinte Kathryn und wurde wieder von der Erkenntnis getroffen, wie unfair das alles war. Wütend darüber sagte sie: »Wolltest du das wirklich Peter geben?«
»Robin wird es nicht brauchen, Mom.«
»Aber ihre Sachen so schnell wegzugeben?«
»Er ist jetzt hier. Er ist den ganzen Weg hergekommen. Und er wird nicht lange bleiben.«
»Hat er das gesagt?«
»Nein. Aber er weiß, dass er nicht willkommen ist.«
»Es geht nicht darum, dass er nicht willkommen ist«, entgegnete Kathryn und versuchte herauszufinden, was genau sie empfand. »Ich bin froh, dass er gekommen ist. Du hattest recht, ihn anzurufen. Robin wollte es so. Außerdem schließt sich dadurch der Kreis. Ich will nur keinen Druck.« Ihr Blick fiel wieder auf den Führerschein. Sie betrachtete ihn und sah dann Robin an. Immer noch atmend. Immer noch am Leben. Immer noch da – ihre Tochter, ihr Kind. Wie konnte das enden? »Ich weiß nicht, was ich
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