Im Schatten meiner Schwester. Roman
ihnen beiden zu sein schien. »Molly hat das Herz am rechten Fleck«, sagte sie ruhig. »Sie ist wild entschlossen, das zu tun, was Robin will, deshalb hat sie dich angerufen.«
Peter löste sich von ihrer Seite und ging ums Bett herum. Er legte die Ellbogen auf die Umrandung und betrachtete Robin. »Ein Teil von mir wünscht, dass sie es nicht getan hätte. Das hier ist nicht lustig.«
Kathryn schoss ihm einen vernichtenden Blick zu.
Er kapierte, was sie ausdrücken wollte. »Weißt du«, sagte er und klang defensiv, »manche von uns sind nicht gut bei schwierigen Sachen. Ich spiele Tennis. Ich unterrichte Tennis. Ich leite Kurse. Ich bin nicht gut, was Familie angeht. Jede meiner Frauen – entschuldige, meiner Ex-Frauen – kann das bezeugen. Also halte ich mich an die leichten Sachen, und vielleicht ist das ja ein Charakterfehler. Aber mein Vater starb, als ich noch ein Kind war. Also wusste ich, dass ich auch jung sterben könnte – sogar noch, bevor ich das mit meinem Herzen erfuhr. Wir werden nie mit Sicherheit wissen, ob mein Vater es auch hatte, aber er war Rancher. Er hat ebenso körperlich gearbeitet wie ein Sportler. Doch darum geht es nicht. Ich kann mir keinen Stress wegen Sachen machen, bei denen ich versagen würde. Ich bin, wer ich bin. Ich spiele Tennis. Das mache ich eben.«
Kathryn drückte die Hand ans Herz. Man musste nur das Wort »laufen« für »Tennis spielen« einsetzen, und er hätte aus Robins Tagebuch zitieren können. Sie war traurig gewesen, als sie es gelesen hatte, und nun empfand sie dieselbe Traurigkeit, als sie es von Peter hörte.
»Deshalb akzeptiere ich die Wirklichkeit des Ganzen«, fuhr er fort. »Menschen haben Grenzen.«
»Aber ist es denn nicht wichtig zu versuchen, sie zu erweitern?«
»Ja. Deshalb bin ich hier.«
Ihr fiel keine Erwiderung ein.
»Aber das ändert nichts daran, wer ich bin«, beharrte er. »Wenn ich dich damals geheiratet hätte, sicher, dann hätte ich Robin gekannt, aber wir wären alle verdammt elend geworden. Stattdessen schau dich an. All die Jahre mit demselben Mann verheiratet? Weißt du, wie besonders das ist?«
Das tat sie. Sie nahm Robins Hand und hielt sie an ihre Kehle.
»Ich bin froh, dass Molly mich angerufen hat«, gestand er und richtete sich auf. »Hier zu sein ist richtig für mich. Wenn ich nachher davon erfahren hätte, hätte ich mich schlimmer gefühlt.« Er hielt inne und sah von einem Apparat zum anderen. »Mächtig einschüchternd.«
»Man gewöhnt sich daran. Man gewöhnt sich an die ganze Situation. Man wechselt von Tränen zu Taubheit und wieder zurück.«
»Was wirst du machen?«
Sie schüttelte den Kopf –
nicht jetzt
– und klammerte sich an Robins Hand, ihren Rettungsring. Dann räusperte sie sich. »Du spielst also immer noch gerne Tennis?«
»Ja. Ich mache es gut.«
»Vermisst du das Adrenalin des Wettkampfs?«, fragte sie, weil Robin sich das gefragt hatte.
»Ich vermisse es zu gewinnen. Ich vermisse es nicht zu verlieren. Wenn man anfängt, mehr zu verlieren als zu gewinnen, weiß man, jetzt ist es Zeit.«
»Hast du dich als Versager gefühlt, als du aufgehört hast?«
»Wenn ich es zugelassen hätte, darüber nachzudenken, hätte ich es getan, aber ich hatte bereits meine Tennisschule gegründet. Umgib dich mit Kindern, die glauben, dass du ein Star bist, und du fühlst dich nicht wie ein Versager.«
»Hast du jemals etwas anderes machen wollen?« Er zog ein verständnisloses Gesicht.
»Hat irgendjemand jemals vorgeschlagen, du solltest etwas anderes tun?«, erkundigte sich Kathryn, die sich fragte, ob sie es Robin hätte vorschlagen sollen.
»Meine Frauen, ja. Ein Haufen verschiedener Ideen, um Geld zu machen.«
»Was ist mit deiner Mutter? Lebt sie noch?«
Sein Gesicht wurde weich. »Sicher. Sie will, dass ich glücklich bin.«
»Ich wollte, dass Robin glücklich ist«, überlegte Kathryn laut. Robins Tagebuch verfolgte sie.
»War sie es denn nicht?«
»Wenn sie gelaufen ist. Aber es störte sie, dass Laufen das Einzige war, in dem sie gut war – zumindest hat sie das in ihrem Tagebuch geschrieben. Sie sah ständig uns andere und dachte, sie sollte mehr tun.«
»Hast du ihr Druck gemacht?«
»Nein, aber ich habe sie stets mit dem Laufen gleichgesetzt. Ich habe sie nie dazu gedrängt, etwas anderes zu tun. Vielleicht war das ja das Problem. Sie hat schließlich gedacht, dass sie diese anderen Dinge nicht konnte, und sich Sorgen darüber gemacht, was passieren würde, wenn sie
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