Im Schatten meiner Schwester. Roman
zu schätzen.«
So gut sich David vorhin mit Molly gefühlt hatte, so schlecht fühlte er sich, als er Alexis’ Zimmer verließ.
Dann entdeckte er Donna Ackerman. Sie lehnte an der Wand, nicht weit entfernt von der Tür ihrer Tochter, hatte die Lippen gespitzt und die Hände in den Taschen. An der Art, wie sie sich erwartungsvoll aufrichtete, erkannte er, dass sie auf ihn gewartet hatte.
Als er nahe genug war, fragte sie: »Hat sie Ihnen erzählt, dass sie morgen nach Hause kann?«
»Ja. Das sind ja gute Nachrichten, Missis Ackerman.«
Doch Donna schüttelte den Kopf. »Sie geht in ein Zentrum, das auf solche Sachen spezialisiert ist.«
David war erleichtert, wenn auch überrascht. »Sie hat gesagt, die Ärzte hätten ihr ein gutes Zeugnis ausgestellt.«
»Das stimmt nicht. Sie hört, was sie hören will. Sie wissen ja, dass sie ein Problem hat.«
Er zögerte, doch Donna schien die Wahrheit hören zu wollen. Also sagte er nur leise: »Ja.«
»Nun, das weiß ich zu schätzen. Sie waren taktvoll. Ich bezweifle, dass es leicht gewesen ist.« Näher an eine Kritik an ihrem Mann würde sie wohl nicht kommen. »Es gibt keine schnelle Heilung für dieses Problem. Alexis wird wahrscheinlich ein paar Wochen dort verbringen und danach weiter in Therapie gehen. Aber sie mag Sie, David. Sie sind ihre Verbindung zur Schule. Sie wird Ihre Unterstützung brauchen.«
»Alles«, sagte David.
»Alles? Okay. Wie bringe ich es ihr nur bei?«, fragte Donna frei heraus. »Ich habe vier Jungs großgezogen. Ich hatte noch nie so ein Problem. Sie wissen, wie man mit Teenagern umgeht. Sie hat keine Ahnung, was auf sie zukommt.«
»Vielleicht ja doch«, warnte David. »Was sie mir erzählt hat, kann auch reine gespielte Tapferkeit gewesen sein. Kinder in diesem Alter sind zerrissen. Ich habe Alexis das Wort Magersucht einmal zu oft verwenden hören. Ich wäre direkt. Sie ist zu intelligent für alles andere.«
Donna schwieg. Dann seufzte sie. »Ich hatte befürchtet, dass Sie das sagen würden«, erwiderte sie, spitzte die Lippen erneut und ging ins Zimmer ihrer Tochter.
In dem Moment, als Molly Robins Zimmer betrat, wusste sie, dass sie nicht über Organspenden reden würden. Kathryn war eindeutig aufgebracht. Sie beobachtete Robin vom Fenster aus und hatte die Hände auf das Sims hinter sich gestützt. Ihr Blick flog zu Molly. Sie bewegte eine Hand, legte sie aber schnell zurück, schien die Stütze zu brauchen. Ihr Blick ging wieder zum Bett.
Erschrocken sah Molly ebenfalls hin. »Ist etwas passiert?«
»Nein«, krächzte Kathryn und räusperte sich. »Sie ist noch genauso.«
»Bist du krank, Mom?«
Kathryn bewegte die Arme nach vorne und verschränkte sie fest vor sich. »Nur emotional.«
Sie hatte geweint, wie Molly sehen konnte. Mit ihren geröteten Augen und den deutlichen Anzeichen von Müdigkeit sah ihre Mutter zerbrechlich aus.
»Ich hätte Peter nicht herbringen sollen«, sagte Molly. »Das hat nur noch mehr Stress verursacht.«
»Es ist nicht er, es ist das«, erwiderte Kathryn, ohne den Blick abzuwenden. »In der einen Minute bin ich okay, und in der nächsten gerate ich in Panik. Ich habe das Gefühl, dass mir die Zeit davonläuft.«
»Sie werden die Apparate anlassen …«
»Die Zeit läuft davon«, wiederholte Kathryn.
Molly war besorgt. »Wo ist Dad?«
»Ich habe ihn nach Hause geschickt. Er war erschöpft.«
»Du auch. Fahr heim, Mom, bitte, ja? Nichts verändert sich. Robin wird auch morgen früh noch so hier liegen.«
»Jede Nacht ist kostbar.«
Molly versuchte eine andere Taktik. »Hat Robin zu Hause gewohnt? Nein, sie wollte nicht unter deiner Aufsicht schlafen. Vielleicht will sie auch jetzt allein schlafen.«
In Kathryns Augen traten Tränen. »Genug von dem, was Robin wollen würde«, rief sie aus und presste einen Finger auf die Lippen. Nach einer Minute verschränkte sie wieder die Arme. »Das hier will
ich
, Molly. Außerdem«, fuhr sie fort, »glaube ich nicht, dass ich im Moment Auto fahren könnte.«
»Ich fahre dich«, bot Molly an und fühlte sich in dem Moment wegen Kathryn schlechter als wegen Robin. »Dad kann dich morgen zurückfahren.«
Eine Minute lang erkannte Molly, dass sie weicher wurde, und glaubte, ihre Mutter gäbe nach. Doch Kathryn schüttelte nur den Kopf. »Nein. Ich muss das hier machen.«
Minuten nachdem Molly den Raum verlassen hatte, änderte Kathryn jedoch ihre Meinung. Nein, ich muss das nicht machen, dachte sie. Das will ich nicht. Ich will meine
Weitere Kostenlose Bücher