Im Schatten meiner Schwester. Roman
hoffst und du hoffst, und nichts passiert, und nun ist da der zweite Test.«
»Ich kann sie ja bitten, ihn zu verschieben.«
Molly hielt den Atem an. »Nein, Mom, mach das nicht. Wir müssen es wissen.«
»Ich bin nicht bereit.«
»Wir müssen es
wissen
.«
Kathryn sah weg.
»Es ist das Warten, das so schlimm ist«, wiederholte Molly. »Wie sollen wir das durchhalten?«
Kathryn schwieg. Dann erklärte sie gemessen und zeigte damit, dass ihr Hirn die Antwort kannte, selbst wenn ihr Herz es nicht tat: »Wir machen unseren Job.«
Molly wollte ihren Vater nach seinem Herzen befragen, hasste jedoch den Gedanken, Kathryn allein zu lassen. Also wartete sie auf Charlies Rückkehr, konnte das Thema aber nicht ansprechen, solange ihre Mutter dabeisaß. Sie musste sich weiter gedulden, ließ die beiden allein und ging hinunter ins Foyer. Chris und Erin saßen an einem Tisch und tranken Kaffee.
Sie zog sich einen Stuhl heran und murmelte: »Ein Alptraum.«
»Das hast du schon mal gesagt«, bemerkte Chris. »Meinst du denn, dass sie aufwachen wird?«
»Die Wissenschaft würde nein sagen, aber ich habe schon Pflanzen gehabt, von denen ich geglaubt habe, sie seien mausetot – ich meine, so vertrocknet und verwelkt, dass ich sie kurz vor der Wurzel abgeschnitten habe –, und sie sind wiedergekommen.«
Chris starrte sie an, als ob sie nicht bei Verstand wäre. »Robin ist keine Pflanze.«
»Okay.« Molly lächelte und schob ihm den Schwarzen Peter zu. »Dann erzähl du uns doch etwas Positives.«
Er betrachtete seine Kaffeetasse.
»Du siehst gut aus«, sagte Erin und beugte sich vor, um sie anzuschauen. »Du hast tolle Beine. Du solltest öfter Röcke tragen.«
»Vielleicht kannst du dir ja einen Arzt angeln«, warf Chris ein.
Molly fuhr auf. »Du bist ja krank. Ich trage also einen Rock. Ich muss doch nicht so ausschauen, als ob ich die ganze Zeit im Dreck wühle.«
»Das tust du doch.«
»Chris«, protestierte Erin.
Molly konnte ihre Kämpfe selbst ausfechten.
»Und was ist mit dir?«, fragte sie ihren Bruder.
Er runzelte die Stirn. »Ich bin wegen Robin erregt.«
»Und ich etwa nicht?«, rief sie aus. Selbst verblüfft von ihrer schrillen Stimme, senkte sie sie. »Lass uns nicht gerade jetzt streiten. Mich beschäftigt immer noch die Sache mit dem Herzen, Chris. Robin hat ihrer Ärztin erzählt, dass ihr Vater ein Problem habe.«
Chris wich zurück. »Ihr Vater? Woher weißt du das?«
»Ich habe einen Brief gefunden. Warum sollte sie behaupten, dass Dad ein Problem hat, wenn das nicht stimmt?«
»Besser jemandem die Schuld geben«, antwortete er, wenig freundlich, aber wahr.
»Hast du deinem Vater von dem Brief erzählt?«, wollte Erin wissen.
»Ich hatte noch keine Gelegenheit. Ich wollte bei Mom bleiben. Ich mache mir Sorgen um sie.«
»Was können wir tun?«
»Um sie zu zitieren: ›unseren Job machen‹.«
»Haha«, gab Chris beißend zurück. »Während Robin an lebenserhaltenden Apparaten hängt.«
»Snow Hill hört nicht auf«, meinte Molly. »Ich mache bereits meine eigene Arbeit, und ich vertrete Mom. Jemand muss Dad vertreten.«
»Ich habe den gestrigen Tag fast ganz verloren«, sagte Chris, »so dass ich, was Gehälter und Rechnungen angeht, im Rückstand bin, und in einer Woche sind die Quartalsschätzungen fällig.«
»Ich ziehe in fünf Tagen um«, erwiderte Molly ruhig, »aber das heißt nicht, dass ich den Gartenclub in Lebanon in dem Glauben lassen kann, dass Mom trotzdem noch ihre Rede hält. Ich werde mit den Leuten sprechen, die außerhalb von Snow Hill Antworten brauchen. Du sprichst mit den Leuten innerhalb.«
Chris machte eine abwehrende Handbewegung.
»Okay«, probierte sie, »ich werde mit den Leuten innerhalb reden. Du sprichst mit den Leuten außerhalb.«
Sein Gesichtsausdruck zeigte, dass er diese Idee noch scheußlicher fand.
»Ich weiß, das willst du nicht, Chris, aber wir machen gerade alle Dinge, die wir nicht machen wollen.«
Er drehte die Tasse in seiner Hand.
»Bitte«, bettelte Molly, doch er schwieg weiter. »Gut.« Sie hievte sich hoch. »Dann mache ich es selbst.«
»Sie hat recht«, sagte Erin, sobald Molly gegangen war. »Alle hier müssen Dinge tun, die sie nicht tun wollen.«
Doch Chris war wütend. »Brauche ich Molly dazu, damit ich weiß, was ich tun soll?«
»Es ist nicht ihre Schuld. Sie ist nur die Botin.«
»Sie ist es doch gewohnt, für Mom einzuspringen. Ich bin dagegen nicht daran gewöhnt, für Dad einzuspringen. Er kann
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