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Im Schatten meiner Schwester. Roman

Titel: Im Schatten meiner Schwester. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Delinsky
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lächelte sie schief an. »Hast du jemand anderen erwartet?«, fragte er. Seine Stimme mit ihrem verführerischen West-Texas-Slang ließ die Jahre zusammenschrumpfen.
    Sie stand auf. »Nein. Das Krankenhaus schickt nur einfach so viele Leute her.«
    Er schloss die Tür. »Habe ich mich so sehr verändert?«
    Sein Körper nicht. Er war so groß, schlank und muskulös wie bei ihrer ersten Begegnung und strahlte dieselbe Sportlichkeit aus. Er hatte ein paar Falten im Gesicht gehabt, während es jetzt viele gab. Im Gegensatz dazu hatte er damals sehr viele Haare gehabt und jetzt nur noch wenige.
    »Ich habe mir dich vorgestellt, wie du damals warst«, sagte sie.
    »Du hast mich seitdem nicht mehr gesehen?« Er drückte die Hand auf sein Herz. »Du hast mich verwundet. Ich bin immer noch manchmal in den Nachrichten, und mein Gesicht kann man auf meiner Website bewundern.«
    Doch Kathryn war verwirrt. Das letzte Mal, als sie Peter Santorum gesehen hatte, war er pudelnackt gewesen. Sie hatten gerade
     Sex gehabt, und sie zog sich an, um zu gehen. Sie versuchte, daran zu denken, was sie sonst in ihren gemeinsamen vierundzwanzig
     Stunden gesagt oder getan hatten. Doch sie konnte sich nur an den Sex erinnern.
    Konzentriere dich, dachte sie und wandte sich Robin zu. »Du wolltest ihn sehen, also ist er gekommen«, sagte sie leise und dann zu Peter: »Ist sie nicht schön?« So schön. So still. Die Tragödie machte sie in ihren Gefühlen verletzbar.
    Er hatte sich nicht von der Tür wegbewegt. »Ich konnte es auf den Bildern von ihr sehen. Sie kommt nach ihrer Mom. Du siehst gut aus, Kathryn.«
    »Das kann nicht sein. Es ist eine höllische Woche gewesen. Ich habe kaum geschlafen.«
    »Trotzdem siehst du gut aus. Die Jahre haben es gut mit dir gemeint.«
    Wütend, weil das hier keine Party und Schmeichelei absurd war, sagte sie: »Ich würde jedes einzelne dieser wohlmeinenden Jahre aufgeben, wenn ich die Uhr zurückdrehen könnte. Ich würde meine Seele dem Teufel verkaufen, wenn das Robins Hirn wieder zum Leben erwecken könnte.«
    Seine Augen wanderten zu Robin, doch es wirkte tastend, als ob sie bei der kleinsten Provokation wieder weggleiten würden. Ihr fiel plötzlich auf, dass er Angst hatte. Seltsamerweise machte ihn das weniger bedrohlich.
    »Du kannst näher kommen«, wagte sie zu sagen.
    Vorsichtig trat er zu Robin. »So habe ich mir das Treffen mit meiner Tochter nicht vorgestellt.«
    »Nein. Ich wünschte, du hättest sie in Aktion gesehen.«
    »Das habe ich«, erwiderte er zu Kathryns Erstaunen. »Ein paar Monate nachdem ich angerufen habe, ist sie in San Francisco gelaufen. Ich habe sie vom Embardacero kurz hinter Pier 39 beobachtet.« Er lächelte. »Sie war in der ersten Welle der Läufer. Ich musste in der Dämmerung aufstehen, um sie vier Sekunden lang zu erblicken. Das nenne ich Hingabe.«
    Kathryn würde es Neugier nennen –
feige
Neugierde. Robin war an jenem Tag persönliche Bestzeit gelaufen und Zweite unter allen Läuferinnen geworden.
    Hingabe. Nicht ganz. »Hast du in all den Jahren vorher nie an sie gedacht?«, fragte sie abfällig.
    Er zuckte nicht mit der Wimper. »Was wäre der Sinn gewesen?«
    »Sie war
dein Kind
. Wie hast du es
nicht
tun können?«
    Er hob die Hand. »Ich bin nicht du, Kathryn. Ich habe sie nicht neun Monate lang ausgetragen. Ich habe meine Elternrechte aufgegeben, bevor sie auch nur lebensfähig war. Außerdem – hättest du meine Beteiligung gewollt?«
    »Nein.«
    »Na also.«
    Kathryn gab ein kehliges Geräusch von sich. »Du klingst wie mein Sohn.«
    »Das hat mir Molly auch gesagt.«
    »Sie neigt zur Geschwätzigkeit. Was hat sie dir sonst noch erzählt?«
    »Dass du eine tolle Ehe führst, dass dein Mann Robin ein wundervoller Vater war, dass du glücklich warst.«
    »Das stimmt. Ich hatte Glück.«
    Er wedelte mit der Hand. »Wir machen unser Glück selbst. Es geht darum, schlaue Entscheidungen zu treffen.«
    Doch Kathryn hatte in den letzten Tagen zu viel über sich selbst erfahren, um ihm zuzustimmen. »Ich weiß nicht, ob die Entscheidungen, die ich getroffen habe, immer so schlau waren. Wenn etwas wie das hier passiert, fängt man, an sein Leben zu hinterfragen.«
    »Was gibt es da zu hinterfragen? Du hast mit diesem Mädchen hier ein Wunder großgezogen. Ihre Schwester ist auch ziemlich klug, und deinen Sohn habe ich noch nicht kennengelernt.«
    Du hast nicht mal Charlie kennengelernt, dachte Kathryn, weil er ihr in diesem Moment der stabilere Elternteil von

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