Im Schatten meiner Schwester. Roman
und keine davon war aus dem Krankenhaus mitgebracht worden.
Vorbereitung auf eine Totenwache? Nein. Kathryn war über den Punkt des Zynismus hinaus. Diese Geschenke sollten sie in dieser schrecklichen Zeit aufrechterhalten.
Sie hatte Freunde, auch wenn sie nicht viel getan hatte, um sich ihre Treue zu verdienen. Sie hatte ein erfolgreiches Unternehmen, auch wenn sein Erfolg in Wahrheit das Ergebnis eines größeren Teams war. Sie hatte eine Mutter, die sie verlassen hatte, und eine Familie, die sie nicht hörte. Und da nannte sich Robin eine Betrügerin?
Nun, da ihrer aller Leben so im Fluss war, hatte Kathryn keine Ahnung, wer sie selbst war. Und sie konnte die Zukunft nicht
mehr sehen.
In diesem Augenblick purer Erschöpfung klang der Gedanke,
einfach zu sein,
gut. Nur dass ihre Erstgeborene von lebenserhaltenden Maßnahmen und einer niederschmetternden Entscheidung abhing, Charlie sich fügte, Molly stritt und Chris schwieg, Marjorie abwesend war und Peter kommen würde.
Konzentriere dich, sagte sie sich. Aber worauf?
[home]
17
M olly trug am Samstagmorgen ein Sommerkleid. Als Robins Botin wollte sie gut aussehen. Um Peter Santorum zu erkennen, wenn
er eintraf, druckte sie Bilder von ihm aus, bevor sie von zu Hause wegfuhr.
Der Flughafen war klein und das Flugzeug ein privates. Er verließ den Terminal allein mit nur einer einzigen Tasche über seiner Schulter und sah genauso aus wie auf den Fotos – derselbe schlanke Körperbau, dasselbe Polohemd und die Sportschuhe, dasselbe gebräunte Gesicht.
Ihn zu erkennen war der leichte Teil. Der schwere Teil bestand darin zu wissen, was sie sagen sollte. Die Begrüßung brachte sie gut hinter sich – »Wie war Ihr Flug? Haben Sie noch andere Taschen? Waren Sie schon mal in der Gegend?« Sobald sie jedoch im Auto saßen, wurde sie unsicher, was er erwartete, was sie erwartete, was Robin erwartete.
»Entschuldigen Sie das Gefährt«, sagte sie, als er die Beine bewegte in dem offensichtlichen Versuch, sich bequem hinzusetzen. »Wir haben keine Limo.«
»Das ist in Ordnung. Der Geschäftsjeep?«, fragte er ziemlich nett.
»Mein Jeep. Das Logo ist eine gute Werbung.«
»Ist Werbung Ihr Gebiet?«
»Nein. Ich mache die Pflanzen.«
»Mache?«, fragte er entweder im Scherz oder aus bloßer Neugier.
Sie entschied zu seinen Gunsten und sagte: »Ich leite das Gewächshaus. Pflanzen sind zuverlässig. Sobald man sie kennt, kennt man sie. Keine Überraschungen.«
Er war schnell und kapierte sofort. »Überraschungen wie mich?«
»Und wie Robin und meine Mutter. Sie wussten es beide und haben es nie erzählt.«
Er schwieg eine Minute. Dann sagte er: »Ich wusste nicht, dass Robin Snow meine Tochter ist, bis ich nach ihr gesucht habe. Ich war mit Ihrer Mutter nicht in Kontakt. Ich habe nicht mal gewusst, ob das Baby ein Junge oder ein Mädchen war.«
In Robins Namen war Molly deswegen sauer. »Waren Sie nicht neugierig?«
»Ich wollte es nicht wissen. Wollte nichts empfinden.«
»Aber haben Sie nicht trotzdem etwas empfunden?«, hakte sie nach.
»Vielleicht. Hin und wieder.«
Sie warf ihm einen Blick zu. Er wirkte ernst. »Wie viele Kinder haben Sie insgesamt?«
»Zu Hause? Drei. Eines liebt mich, zwei hassen mich. Das ist nicht gerade eine tolle Bilanz. Robin war mit Ihrem Dad besser dran.«
Molly musste an einer Ampel halten und betrachtete ihn. »Ich sehe nichts von Robin in Ihnen.«
»Dann hat sie Glück.«
»Tatsächlich hat sie das nicht«, erwiderte Molly leicht verärgert. »Ich hätte es lieber, sie hätte Ihr Aussehen geerbt als Ihr Herz.« Die Ampel wechselte, sie fuhr weiter.
»Sie waren es, die mich gebeten hat zu kommen«, erinnerte er sie sanft.
Da er sie mit Recht getadelt hatte, wurde sie weicher. »Es tut mir leid. Das hier ist seltsam.«
»Weiß Ihre Mutter, dass ich hier bin?«
»Ja. Und Ihre Frau?«
Er gab ein abfälliges Geräusch von sich. »Welche? Frau Nummer eins, zwei oder drei?«
»Es gibt gleich drei?«
»Eigentlich vier – nur dass die letzte mit unserem Finanzberater abgehauen ist, weshalb sie keine Ahnung hat, wo ich bin. Und eigentlich auch die anderen drei nicht.«
»Warum nicht?«
»Ich respektiere Robins Privatsphäre. Hat sie Ihnen von mir erzählt?«
»Nein.«
»Das sagt es doch schon.«
Molly lächelte sarkastisch. »Das ist etwas, was mein Bruder sagen würde. Er ist Steuerprüfer.«
»Dann ist er kein Freund von mir«, erwiderte er, aber mit Humor. »Weiß er von mir?«
»Mein Vater hat es ihm
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