Im Schatten von Montmartre
glitten aus seinem Mund, als wären sie
mit Vaseline eingeschmiert. Heimtückisch.
„Nichts...“
Ich faßte mich wieder, holte mein Taschentuch
heraus und wischte mir den Schweiß von der Stirn. Wie heftig ich schwitzen
konnte! Wie heiß es in diesem verdammten Zimmer sein konnte!
„War nur so dahergesagt... nur um irgend etwas
zu antworten... damit Sie auch mal Luft holen können.“
Ixe runzelte die Stirn. Sein weißlicher
Augenfleck spielte leicht ins Rötliche.
„Machen Sie sich nicht über mich lustig“, warnte
er mich. „Ich möchte mich freundschaftlich mit Ihnen unterhalten. Aber ich rate
Ihnen, sich hier nicht als Schlauberger aufzuspielen, als Kino-Privatflic! Ich
bin nämlich der Schlauere von uns beiden, kapiert?“
Ich gab keine Antwort. Er sagte nach diesem
kleinen Wutausbruch ebenfalls nichts. Er sah mich an. Ich sah ihn an. Wir sahen
uns an. Er mit seiner Zigarette im Mund, ich mit meiner Pfeife. Aber ich war
sie leid, meine Pfeife. Mit jedem Zug verstärkte sich der Brechreiz. Ich legte
sie auf den Tisch. Ich, ein Schlauberger? Daß ich nicht lache! Ein Blödmann,
ja, das schon eher! Und der Kerl da vor mir war mit Sicherheit einer der
Drogenkönige, einer wie Marquini, der tote Marquis. Ein Drogenkönig, momentan
arbeitslos wegen der Rückschläge, die der Markt hatte hinnehmen müssen, aber
eben doch ein Drogenkönig! Marquini & Co. Marquini, der sich in der
Rue Fontaine hatte umlegen lassen, unter dem Arm eine Tasche mit Pornofotos.
Ein seltenes Stück, ein Unikat. Ein Sammlerstück, hätte Clarimont gesagt.
Unikat. Das war es, was sie gesucht hatten, all die Typen, von denen Milo mir
erzählt hatte, Typen, die in Barbès völlig unbekannt waren und die den gesamten
Schund systematisch aufgekauft hatten, die einschlägige Ware, alles Mögliche
und Unmögliche, alles, was man sich vorstellen konnte, bis hin zu zehn Jahre
alten Fotos...
„Meine Leute haben sich ein wenig bei Ihnen
umgesehen, Monsieur Burma“, nahm der ‚Drogist’ unsere kleine Unterhaltung
wieder auf, jetzt erneut in höflichem Ton. „Oh, nur zwei, drei Schubladen...“
Er nahm aus demselben Aktenordner wie vorhin
zwei Abzüge desselben Fotos heraus und reichte sie mir.
„Das haben sie mitgebracht. Was ist das?“
„Sehen Sie doch: Abzüge von dem Unikat.“
„Hat Ihr Klient Ihnen das gegeben?“
„Welcher Klient?“
„Dahinter muß doch irgendein Klient stecken,
oder?“
„In der Tat, es gibt einen Klienten. Und?“
„Hat er Ihnen diese Abzüge gegeben?“
„Nur einen, die anderen habe ich davon
abfotografieren lassen. Für meine Nachforschungen, für alle Fälle...“
„Ja, ja, verstehe“, murmelte er verträumt,
gedankenverloren. „Ein Abzug.“
Er ließ das Wort auf der Zunge zergehen, berauschte
sich förmlich. Was weiß ich, welch magischen Zauber er daran fand. „Ganz
genau“, stimmte ich ihm zu. „Ein Abzug.“
Er hörte mich nicht. Mit immer heiserer Stimme
fuhr er fort:
„Er hat Ihnen also einen Abzug gegeben?“
„Ja, er hat mir einen Abzug gegeben“, echote
ich.
Ixe holte seine Augen von fernen Horizonten
zurück und heftete sie auf mich.
„Und dieser Mann mit dem Abzug, hat er einen
Namen?“
„Natürlich. Aber rechnen Sie nicht damit, ihn
von mir zu erfahren.“
„Warum nicht?“
„Ich kann doch meine Klienten nicht verraten.“
„Unnötige Skrupel, mein Lieber“, lachte Ixe.
„Sie haben keinen Klienten mehr.“
„Haben Sie ihn umgebracht?“
Er hob sein zartes Händchen.
„Nein, nein! Er ist wohlauf, glücklicherweise.“
„Dann kennen Sie ihn?“
„Ich glaube, ihn zu kennen. Und wenn er der ist,
an den ich denke, dann ist es für Sie so, als gäbe es ihn nicht mehr. Das hat
mir soeben mein kleiner Finger gesagt.“
„Glückwunsch zu so einem kleinen Finger! Also
noch ein Schlauberger. Damit sind wir schon drei... Hören Sie, Schneewittchen,
könnten wir die Sitzung nicht vielleicht beenden? Ich hab nämlich die Schnauze
voll. Mein Kopf ist schwer, ich würde gerne ein Gläschen trinken, ein Sandwich
verdrücken und mich ins Bett legen... schlafen, träumen oder von mir aus auch
sterben...“
Ohne auf meinen Wunsch einzugehen, holte er aus
seinem verdammten Ordner eine wohlbekannte Visitenkarte heraus.
„Diese Visitenkarte haben wir zusammen mit den
Fotos gefunden. Etienne Raphanel. Ist das Ihr Klient?“
Mir reichte es nun wirklich so langsam. Zwei
Schritte vor, ein Schritt zurück. Milor, erinnere dich an Nesto! Ich meine:
Burmi, erinnere
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