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Im Schatten von Montmartre

Im Schatten von Montmartre

Titel: Im Schatten von Montmartre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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jetzt trinken wir ein Gläschen, bevor wir
uns wieder trennen. Wir können alle eine kleine Erfrischung gebrauchen.“
Beinchensteller übernahm den Service mit der Geschicklichkeit eines ehemaligen
Kellners. Unbekümmert goß ich den Kognak hinunter. Der Inhalt aller Gläser kam
schließlich aus ein und derselben Flasche...
    „Nun, Monsieur Burma“, sagte der Pirat nach
einer Weile, „ich bedaure, aber ich muß Sie leider einen oder zwei Tage aus dem
Verkehr ziehen. Deshalb wäre es sehr nett von Ihnen — um jede Unruhe mit
mißliebigen und unnötigen Folgen zu vermeiden — , wenn Sie Ihre Lieben von
Ihrer vorübergehenden Abwesenheit informieren würden. Zum Beispiel sollten Sie
Ihre Sekretärin anrufen.“
    Dies war ein Befehl, da brauchte ich mir nichts
vorzumachen. Ich rief also brav Hélène an. Der Apparat stand im Nebenzimmer.
Auf weichen Knien ging ich hinüber. In meinem Kopf drehte sich alles. Irgendwie
hatten sie es geschafft, etwas in mein Glas zu schütten... außer dem Kognak.
Zucker war es nicht...
    Unmöglich, Hélène eine versteckte Botschaft
zukommen zu lassen. Die Worte wurden mir von Schneewittchen souffliert, und
seine Zwerge bewachten mich. Außerdem, welche Botschaft hätte ich Hélène
zukommen lassen sollen?
    „Und jetzt“, sagte Ixe, als wir wieder in dem
ersten Zimmer waren, „bringen wir Sie in Ihr Appartement. Noch einen Schluck
zum Abschied?“
    „Nein, danke. Er bekommt mir nicht, Ihr
gepanschter Kognak.“
    Er brach in Gelächter aus. Ein sympathisches,
offenes Lachen. Er amüsierte sich.
    „Das war nicht der Kognak, das war der Tabak!
Sie haben allerdings nicht ganz so reagiert, wie ich gehofft hatte. Die Wirkung
des Rauschgifts ist eben eine Frage des Temperaments. Macht aber nichts! Auf
jeden Fall werden Sie gut schlafen können.“
    „Gehn wir!“ sagte Beinchensteller und packte
mich am Arm.
    „Und meine Sachen?“ fragte ich und wies auf
meine Habe.
    „Wird nicht angerührt“, sagte Ixe. „Sie bekommen
alles bei Ihrer Haftentlassung zurück. Bis dahin ist es hier gut aufgehoben.“
    Er zog eine Lade des Aktenschrankes auf, und
meine Habe wanderte zu meinem Revolver und verschiedenen Akten. Dann schloß er
das Fach ab, winkte mir kurz zu, und ich verließ, eskortiert von
Beinchensteller und Krummnase, das verrauchte Zimmer.
    Als wir ans andere Ende des Korridors gelangten
und uns gerade anschickten, eine Treppe hinunterzugehen, hörte ich eine Frau
schreien.
     
    * * *
     
    Neben mir wurde eine Tür auf gerissen, und mir
lief buchstäblich eine wildgewordene Schönheit in die Arme.
    Die Frau war ungefähr dreißig Jahre alt, sehr
schön, geschminkt wie für eine Filmszene und bekleidet mit einem
schwarzglänzenden, enganliegenden Kleid mit gewagtem Dekolleté, seitlich sehr
hoch geschlitzt, so daß ihr Schenkel bis über den Strumpfansatz zu sehen war.
Ihre schwarze Haarpracht wirkte wie eine Nachthaube.
    Ich hatte mich noch nicht von meiner Überraschung
erholt, als ein mir unbekannter Mann in Überschallgeschwindigkeit durch die
offene Tür geschossen kam, die schöne Frau packte und sie zurück in das Zimmer
zerrte, aus dem sie eben geflohen war. Hinter ihnen fiel die Tür knallend ins
Schloß.
    Herrgott im Himmel! Donnerwetter! Wenn das keine
Halluzination war... Die mit ihren Drogen! ... Und wenn es eine Halluzination
war, dann befand sich nichts hinter der Tür. Ich riß sie auf. Es war etwas
dahinter. Die Schöne der Nacht war kein Gespenst. Sie war ein Mensch aus
Fleisch und Blut — aus sehr schönem Fleisch — und wehrte sich in den Armen des
blitzschnellen Mannes.
    Im selben Augenblick (alles geschah sehr
schnell, beinahe gleichzeitig) wurde ich zur Seite gestoßen und so in meinem
Elan gebremst. Marquini stürzte ins Zimmer. Er hielt einen Revolver in der
Hand.
    „Warte, Paulot!“ brüllte er. „Ich werd dich
chloroformieren!“
    Krummnase, der Beschützer der Damen! Der Mann,
der alles sofort erledigt!
    Beinchensteller riß mich nach hinten, so daß ich
das Gleichgewicht verlor. Ich sah seine Faust von weitem auf mein Gesicht
zufliegen. Dann hörte ich ein dumpfes Geräusch, gefolgt von Schmerzensgeheul
und Flüchen. Schade, daß mir nicht zum Lachen zumute war...
    Kurz bevor die Faust in meinem Gesicht landen
konnte, war ich zusammengesackt. Ganz ohne fremde Hilfe, aber auch ohne eigenen
Willen. Es war nur so, daß meine Beine in Streik traten. Die Faust jedoch war
so schön in Fahrt gewesen, daß Beinchensteller sie nicht mehr

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