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Im Schatten von Montmartre

Im Schatten von Montmartre

Titel: Im Schatten von Montmartre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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wenig. Das Haus
verharrte immer noch in dieser anormalen Stille. Die Lebensmittellieferanten
hatten sich nicht blicken lassen. Ich war mutterseelenallein.
    Jetzt kam das Türschloß an die Reihe. Im Dunkeln
machte ich mich an die Arbeit. Auch das war kein Honigschlecken! Es kostete
mich viel Schweiß, um die Tür ein wenig zu verbiegen. Ein kräftiger Schlag
gegen das Schloß müßte die Sache zu einem guten Ende führen. Ich holte aus, und
wums!, es krachte. Aber nicht genug. Noch einmal zugeschlagen, und Sesam
öffnete sich. Lustiges Detail am Rande: Die Tür quietschte nicht. Heute morgen
hatte sie gequietscht, aber jetzt, nach der liebevollen Behandlung, die ich ihr
hatte angedeihen lassen, gab sie keinen Ton von sich. Ich kann das Rezept nur
empfehlen, falls jemand mal kein Öl im Hause hat...
    Mit dem Winkeleisen in der Hand verabschiedete
ich mich von meinem Keller und schlich so leise wie möglich durch einen
schmalen Gang. Ich war zwar davon überzeugt, daß sich keine Menschenseele in
der Nähe befand, aber man soll das Schicksal nicht herausfordern.
    Das Lästigste war, sich im Dunkeln
voranzubewegen. Um in ein Loch zu fallen oder gegen irgend etwas zu stoßen,
wäre es nicht der richtige Augenblick gewesen. Ohne Hoffnung auf Erfolg wühlte
ich in meinen Taschen... und fand ein Streichholzheftchen, das meine Bewacher
übersehen hatten. Ich riß eins der flachen Streichhölzer an, und von nun an
ging alles sozusagen wie von selbst.
    Ich kam an eine Treppe und ging hinauf.
Erdgeschoß. Die Treppe führte in die oberen Etagen. Ich ließ mich führen und
wurde von niemandem daran gehindert. In der ersten Etage folgte ich einem
Korridor, einem Knick...
    ...und blies das Streichholz aus. Unbeweglich
lauschte ich einer Stimme:
    „...ins Krankenhaus gebracht. Vom
Kontinental-Funk hörten Sie die 22-Uhr-Nachrichten.“
    Ein Gong ertönte, dann fuhr eine spöttische
Stimme fort:
    „Wie soeben angekündigt...“
    Das Radio wurde ausgeschaltet. Wieder herrschte
absolute Stille. Allem Anschein nach befand ich mich doch nicht alleine in dem
Gebäude.
    Einige Schritte von mir entfernt sah ich einen
Lichtstreifen auf dem Boden. Höchstwahrscheinlich kam er unter einer Tür
hervor. In Höhe des Schlüssellochs leuchtete ein heller Fleck. Ich näherte mich
auf leisen Sohlen und preßte mein Auge an diesen hellen Fleck.
    Trotz des begrenzten Blickfeldes erkannte ich
den Raum, in dem Schneewittchen mich empfangen hatte. Ein Mann saß an einem
Tisch. Ich konnte nur seinen Rücken sehen. Der Haltung nach zu urteilen, war es
Marquini, die Krummnase. Auf dem Aktenschrank standen noch die Flasche und die
Gläser. Der Schrank war jetzt geöffnet. Um so besser! Ich brauchte ihn also
nicht aufzubrechen. Doch das Winkeleisen, das ich zu diesem Zweck mitgebracht
hatte, sollte nicht untätig bleiben. Oh nein...
    Der Kerl schob den Stuhl zurück und stand auf.
Es schien so, als mache er sich im Stehen an etwas zu schaffen. Als Ergebnis
dieser Arbeit hielt er jetzt einen Aktenordner in der rechten Hand. Er ging zum
Schrank und legte den Ordner in die offene Schublade. Dann näherte er sich der
Tür. Es war tatsächlich Krummnase.
    Ich huschte zur Seite und drückte mich gegen die
Wand. Meine Hand umklammerte das Stück Eisen. Die Tür öffnete sich. Auf den
Boden und die gegenüberliegende Wand fiel ein großer, rechteckiger Lichtfleck,
auf den der riesige, deformierte Schatten des Gangsters projiziert wurde. Er
hatte noch keinen halben Fuß in den Korridor gesetzt, als ich ihm auch schon
einen ordentlichen Schlag auf den Hinterkopf verpaßt hatte. Sein Hut flog auf
den Boden, und Krummnase kniete nieder. Eine zusätzliche Kopfnuß mit dem
flachen Ende des Winkeleisens, und es war vorbei. Sein Gesicht küßte mit einem
leisen „bum“ den Boden. Vielleicht hatte der Aufprall seine schiefe Nase
geradegesetzt.
    Ich drehte den Körper auf den Rücken, tastete
ihn ab und erleichterte ihn um sein Schießeisen. Als nächstes stürzte ich ins
Zimmer zu dem Aktenschrank. Zuerst nahm ich meine persönlichen Sachen an mich:
Revolver, Brieftasche, Pfeife und Schlüssel. Dann stopfte ich Akten und Ordner
in eine herumliegende Ledertasche. Diese Schriftstücke wollte ich mir später in
aller Ruhe ansehen.
    So bepackt, ging ich zu der Tür, die das Haus
mit der Werkshalle verband. Sie war verschlossen, doch der Schlüssel steckte —
auf meiner Seite! — im Schloß. Der vertraute Geruch nach altem Öl schlug mir
entgegen, als ich auf die

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