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Im Schatten von Montmartre

Im Schatten von Montmartre

Titel: Im Schatten von Montmartre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Produzenten ab.
    Und eines Tages, in Neapel, lernte sie Louis
Rigaud kennen. Es war Liebe auf den ersten Blick. Die „cinematographischen
Erfahrungen“ mit Prunier hatten sie im Umgang mit Menschen scheu und gehemmt
werden lassen. Doch jetzt lebte sie wieder auf. (Ein Fall für Dr. Clarimont,
den Psychiater von Montparnasse.) Und da ihr Agent sie wieder einmal bedrängte,
sich in Paris um die höheren Weihen zu bemühen, willigte sie ein, in Frankreich
einen Film zu drehen. Nun trat Prunier auf den Plan und forderte „Arbeit und
Brot“, wie es auf den Spruchbändern heißt. Er verlangte viel Geld und eine
gemütliche Arbeit bei Ritas Produktionsfirma Costerbaum. Rita Cargelo
versorgte ihn mit beidem. Nach und nach wurde sie sich jedoch klar darüber, daß
sie sich niemals aus der Umklammerung befreien könnte. Gleichzeitig kamen ihr
Zweifel an der tatsächlichen Macht des Erpressers über sie. Jetzt war sie es,
die eine Forderung stellte: „Zeigen Sie mir den Film und die Fotos, sonst
gibt’s kein Geld mehr!“ Prunier behandelte sie von oben herab, stellte ein
Treffen in Aussicht, um sich schließlich der Forderung immer wieder zu
entziehen. Dann jedoch kündigte er eines Tages an: „Nächste Woche werde ich dir
alles zeigen. Sobald ein Freund von mir, der das Material besitzt, von einer
Reise zurückkommt...“ Die Tage verstrichen, Rita fuhr zum Festival nach Cannes,
und dort erhielt sie, in der Nacht von Sonntag auf Montag, einen verheißungsvollen
Anruf von Prunier: „Ich hab den Film, du kannst ihn dir ansehen. Nicht in
vierzehn Tagen oder einem Monat. Sofort! Wie du’s anstellst, ist mir egal, aber
sei morgen in meiner Wohnung, andernfalls... Ich werde den ganzen Abend und die
ganze Nacht auf dich warten. Du siehst, ich gebe dir genug Zeit, um
hierherzukommen...“
    „Ich bin nach Paris gefahren“, erzählte Rita
Cargelo. „Und zwar in der Absicht, ihn zu töten, jawohl! Ich war am Ende. Ein
unbändiger Haß hatte sich in mir angesammelt und trieb mich voran. Prunier
stellte eine permanente Gefahr für mich dar, auch wenn ich versuchte, diese
Gefahr im Geld zu ersäufen. Ich kannte ihn gut genug, wissen Sie... Eines Tages
würde er alles ausplaudern... aus Bosheit oder aus Eitelkeit. Man muß seine
kleinen Freundinnen ja unterhalten, nicht wahr? Was das anging, war er nämlich
ein ziemlicher Draufgänger. Begnügte sich nicht mit kleinen Schauspielerinnen
und dummen Mädchen wie Simone. Er hatte es auch mit Huren...“
    Meiner Meinung nach lag Mademoiselle Cargelo
ganz richtig mit ihrer Befürchtung. Eines Tages würde er alles ausplaudern! Wie
hatte mein Beinchensteller neulich noch gesagt? „Der Freier von Gisèle...“ Aber
natürlich! Prunier hatte einer Hure — Gisèle — von ganz speziellen Fotos
erzählt, Fotos, auf denen Rita Cargelo posierte. Und diese Zufallsbekanntschaft
hatte nichts Eiligeres zu tun gehabt, als es ihrem Zuhälter zu erzählen, und
der Zuhälter... So kam es dann, daß der Professor irgendwann davon erfuhr. Ob
er der Sache Glauben schenkte oder nicht, spielt keine Rolle. Jedenfalls regte
die Geschichte seine Phantasie an. Er arrangierte die großangelegte
Foto-Safari, um das „seltene Stück“ zu ergattern, falls es tatsächlich
existierte. Und es existierte, und er ergatterte es! Gleichzeitig machte er
sich an die Produktion der „Imitation“, für alle Fälle. Doch all das war jetzt
Frühgeschichte. Ich konzentrierte mich lieber auf die Gegenwart und fragte die
Schauspielerin:
    „Machte Prunier am Telefon den Eindruck, daß er
triumphierte, weil er endlich etwas in der Hand hatte, das seine Macht über Sie
endgültig sicherte?“
    „Ja, den Eindruck machte er wirklich. Und dann,
in der Rue des Mariniers... Prunier ermordet und Simone im Nebenzimmer, so als
hätte sie sich nach der Tat dorthin geflüchtet... Da meine Suche nach dem Film
ergebnislos blieb, habe ich geglaubt, daß Prunier wieder einmal geblufft hätte.
Möglicherweise wollte er mir etwas zeigen, irgendeinen faulen Zauber, an dem
Simone beteiligt war... Er wußte, daß ich ihre Freundin bin... Heute jedoch bin
ich davon überzeugt, daß er sich eine Kopie des Films besorgt hat und daß sein
Mörder diese Kopie mitgenommen hat. Um Gottes willen!“
    „Sie haben Angst, daß der Unbekannte Pruniers
Nachfolge antreten will?“
    „Ja.
    „Hat er es schon versucht?“
    „Nein.“
    „Nun, dann brauchen Sie sich keine Sorgen zu
machen! Der Mörder ist wahrscheinlich der ,legitime’ Besitzer des

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