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Im Schatten von Montmartre

Im Schatten von Montmartre

Titel: Im Schatten von Montmartre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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diesen Italo-Yankee-Akzent, wenn ich bitten
darf! Sprechen Sie so wie am Telefon, mit Ihrer französischen Stimme sozusagen
— denn Sie sind nicht Italienerin, sondern Französin — , kurz gesagt: mit der
Stimme von Marguerite Chevry — Ihrem richtigen Namen — , geboren in Béziers.
Wissen Sie, daß wir zwei aus derselben Gegend kommen? Ich bin aus Montpellier.“
    „Ach ja?“ fragte sie nach kurzem Schweigen. „Das
wissen Sie also auch? Dann frage ich mich, was Sie noch von mir wissen
wollen... Sie scheinen schon alle Antworten zu kennen.“
    „Außer der wichtigsten: Haben Sie Prunier
getötet, ja oder nein?“
    Bevor sie antwortete, zündete sie sich eine
Zigarette an. Die orangefarbene Flamme des Feuerzeugs erhellte ihre harten
Gesichtszüge.
    „Nein“, sagte sie schließlich. „Er war bereits
tot, als ich in seine Wohnung kam.“
    „Und Simone war ebenfalls dort?“
    „Ja. Ich muß gestehen, das war eine
Riesenüberraschung für mich.“
    „Um so mehr, da sie völlig weggetreten war,
vollgepumpt mit Rauschgift, in der Hand eine Kanone. Daraus haben Sie
gefolgert, daß Simone die Mörderin war, stimmt’s?“
    „Ja.“
    „Und da wollten Sie sie retten?“
    „Ja.“
    „Und um das zu erreichen, haben Sie an mich
gedacht?“
    „Ich habe gedacht, daß Sie der einzige wären,
der das einrenken, es so gut wie möglich vertuschen könnte
    Ich mußte lachen. Sollte ich das als Kompliment
auffassen? Sie sprach weiter:
    „Ich konnte Simone nicht in meinen Wagen
schleppen und sie nach Hause fahren, nicht wahr? Natürlich hätte ich Monsieur
Coulon anrufen können, aber wie hätte er reagiert?“
    „Genau! Nur Nestor Burma konnte die Kastanien
aus dem Feuer holen! Nestor Burma, der Dornenzieher, wie die berühmte Statue,
nur nicht mehr ganz so jung... Sie haben also Ihre Stimme verstellt, haben die
Besoffene gespielt, Ihren kombinierten Akzent weggelassen, was Ihnen übrigens
inzwischen sehr schwerfällt... Mit dieser verstellten Stimme haben Sie mich
angerufen und sich für Simone ausgegeben.“
    „Ja.“
    „Na ja, es war ein wenig übertrieben, aber das
macht nichts. Ein Risiko war auch dabei: Ich hätte Sie nämlich genausogut zum
Teufel schicken, mich umdrehen und weiterschlafen können!“
    „Ich habe auf Ihr Berufsethos gesetzt.“
    „Vielen Dank. Selbstverständlich haben Sie sich
vergewissert, daß ich auch tatsächlich kam, oder?“
    „Ja. Ich habe mich in einem Hauseingang weiter
unten auf der Straße versteckt.“
    „Konnten Sie mich denn erkennen?“
    „Ich habe angenommen, daß Sie es waren.“
    „Und da Sie nichts weiter in der Gegend zu tun
hatten, sind Sie weggefahren. Ihr Wagen stand in einer Nebenstraße. Ich habe
Sie wegfahren hören.“
    „Das kann sein.“
    „O.k— Sagen Sie, was Simone betrifft... Victor
Coulon hat mir erzählt, daß Sie sich als Kindermädchen für sie angeboten haben.
Ist das wahr?“
    „Ja.“
    „Warum?“
    „Aus reiner Menschenfreundlichkeit.“
    „Wollten Sie nicht vielmehr ihre Genesung...
überwachen?“
    „Sie überwachen? Warum?“
    „Keine Ahnung. Vielleicht befürchteten Sie, daß
Simone Sie in der Rue des Mariniers erkannt haben könnte.“
    „Simone hat mich ganz bestimmt nicht erkannt.
Sie hat nichts erkannt. In ihrem Zustand... Ich habe sie beim Namen gerufen,
aber sie hat nicht reagiert.“
    Rita Cargelo-Chevry zog noch einmal an ihrer
Zigarette, dann drückte sie die Kippe in einem Aschenbecher aus.
    „Ich hoffe für Simone“, fügte sie mit einem
Seufzer hinzu, „daß sie bereits in demselben Zustand war, als sie Prunier
getötet hat. So wird sie die Wahrheit nie erfahren.“
    Ich zauberte meine Pfeife hervor, um die
Schauspielerin beim Rauchen abzulösen.
    „Genau das ist der springende Punkt“, sagte ich.
„Sie hat Prunier nicht getötet.“
    Meine Behauptung schlug bei ihr wie eine Bombe
ein.
    „Sie hat... nicht...“
    Sie konnte sich gar nicht mehr wieder
einkriegen. Die Worte blieben ihr im Halse stecken. Sie schluckte ein paarmal,
dann murmelte sie:
    „Simone ist unschuldig!“
    Es hörte sich so an, als bedaure sie es.
    „Ja, ich war von Anfang an von ihrer Unschuld
überzeugt“, sagte ich.
    „Großer Gott!“ schluchzte sie und verbarg ihr
Gesicht in den Händen. „Sie... Sie glauben doch jetzt nicht, daß ich es war?“
    „Nein, Sie waren es auch nicht. Wenn Sie
schuldig wären, hätten Sie sich anders verhalten.“
    „Aber wer war’s dann?“
    Panik leuchtete in ihren Augen auf.
    „Wenn es weder Simone

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