Im Schatten von Notre Dame
gefallen.«
»Ihr kennt mich?« fragte ich erstaunt.
Der Herzog nickte. »Wir folgten Euch bis hierher, Monsieur Armand.
Und da Ihr für Frollo, den Erzdragowiten, arbeitet, glaubten wir, hier den Eingang zur Hölle gefunden zu haben.«
Leonardo war mit Atalantes Verband fertig und wandte sich dem Herzog zu: »Wenn Ihr Dragowiten treffen wolltet, hättet Ihr auf der Müllerbrücke dabeisein müssen.«
»Ach, das waren die Dragowiten?« Ein wenig beschämt rieb sich Mathias das stoppelige Kinn. »Bei allen Propheten, wir haben wahrhaftig die Falschen verfolgt. Aber wer weiß, wozu es gut war. Meine Hochachtung übrigens, das war ein hübscher Kampf auf der Müllerbrük-ke.«
Artig bedankte sich Leonardo mit einer Verbeugung und einem Lä-
cheln.
»Wir sollten nun die Schäden besichtigen und die Verwundeten versorgen, dann reden wir weiter«, schlug Villon vor.
Wir suchten den unterirdischen Schankraum auf, in dem ich mich umgezogen hatte. Auf jeder Seite gab es ungefähr ein Dutzend Tote und die doppelte Zahl Verwundeter.
»Ein hoher Blutzoll«, brummte Villon. »Um so höher, wenn man bedenkt, daß er einem Irrtum geschuldet ist.«
»Viel Arbeit für mich«, seufzte Leonardo und blickte sehnsüchtig zur Tür des Raumes, in dem der aufgeschnittene Leichnam lag.
Die Italiener, Villon, der Zigeunerherzog, seine Tochter und seine Grafen gingen zurück zur Höhle der Denkmaschine. Ich war natürlich bei ihnen. Und Colette, die sich uns angeschlossen hatte.
Sie kam neben mich, drückte meinen Arm und flüsterte: »Ich habe von Eurem wackeren Streich gehört, Armand. Während die anderen nur ihre Waffen benutzten, habt Ihr auch mit dem Kopf gekämpft und Euch in den Hinterhalt gelegt, bis der richtige Zeitpunkt gekommen war. Eine Heldentat, ich bin stolz auf Euch!«
Ich murmelte ein verlegenes »Danke« und wagte nicht, sie über ihren Trugschluss aufzuklären. Es tat einfach zu wohl, von Colette bewundert zu werden. Außerdem war das Ergebnis meines Handelns nicht in Frage zu stellen, mochte es auch auf eher zufällige Art zustande gekommen sein.
Die Ägypter bewunderten die Denkmaschine, was mir nur zu verständlich war. Allein der Herzog blieb kühl und meinte, nachdem Villon ihm vom Ergebnis des jüngsten Denkprozesses erzählt hatte: »Daß die Mauern von Notre-Dame den Sonnenstein bergen, habt Ihr bereits vorher vermutet. Also hat diese Erfindung Euch keine neuen Erkenntnisse gebracht, sondern nur das bestätigt, was Ihr ihr eingabt. Diese Maschine kann nicht denken!«
Ein wenig beleidigt schnaubte Leonardo: »Das ließe sich von den meisten Menschen auch behaupten. Aber im Gegensatz zu ihnen kann die Maschine Sachverhalte klären, Gedankengänge auf einen Punkt bringen, Entscheidungen vorantreiben.«
Mathias lächelte dünn. »Ich weiß nicht, was schwerer wiegt, Eure Geringschätzung für die Menschen oder Eure Hochachtung vor diesem grotesken Maschinending.« Er sah Villon an. »Noch mehr wundert mich aber, Messire, daß Ihr uns in Eure Geheimnisse einweiht.«
»Da Ihr schon unser Versteck aufgespürt habt, kann es nicht mehr viele Geheimnisse zwischen uns geben«, antwortete Villon. »Ihr wollt den Sonnenstein, und wir wollen ihn auch. Also sollten wir mit vereinten Kräften streiten!«
»Der Vorschlag ist gut«, befand der Herzog. »Aber traut Ihr uns denn?
Wir wollen den Smaragd für uns, jeder will ihn für sich.«
»Ich weiß ihn lieber bei Euch als bei den Dragowiten«, erklärte Villon. »Und auch Euch müssen die Dragowiten die schlimmsten Feinde sein, denn sie wollen mit der Macht des Sonnensteins den schlafenden Drachen wecken. Hindern wir sie gemeinsam daran, und was aus dem Smaragd wird, sehen wir, wenn wir ihn haben – falls wir seiner habhaft werden.«
»Einverstanden«, sagte Mathias. »Wie gedenkt Ihr vorzugehen?«
»Wir sind vorerst damit beschäftigt, uns ein neues Versteck zu suchen«, antwortete Villon säuerlich.
»Nicht nötig, wir werden schweigen. Man mag meinen Männern vieles vorwerfen können, aber nicht, daß sie schwatzhaft sind.«
»Seid Ihr nicht mit Clopin Trouillefou, dem König der Gauner, im Bunde? Wie wollt Ihr seine ganze Schar im Zaum halten?«
»Trouillefou und seine Gauner wissen nichts von Eurem Versteck.
Ich spanne die Bande für meine Unternehmen ein, wenn es mir nützt und für die Gauner ein fetter Brocken abfällt, aber für diesen wichtigen Streich habe ich nur meine eigenen Männer mitgenommen. Selbst den Angetrauten meiner Tochter,
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