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Im Schatten von Notre Dame

Titel: Im Schatten von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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nicht sonderlich zugetane Gemahlin den schönen Phoebus nur aushorchen wollte? Ich konnte mir nicht vorstellen, daß sie den kümmerlichen Narren ins Vertrauen gezogen hatte. Würde er seine Eifersucht bezähmen können? Und falls nicht, wie konnte er ernsthaft hoffen, einen Stich gegen den kampferprobten Degen des Offiziers anzubringen?
    Phoebus, der sich in dem Gassengewirr um die Saint-Michel-Brücke offenbar bestens auskannte, hatte die Führung übernommen. Er blieb vor einem Haus stehen, das nur im Obergeschoß ein paar Fenster mit schmutzigen, rissigen Scheiben aufwies. Zwei davon waren schwach erleuchtet. Das Erdgeschoß hätte unbewohnt und finster ausgesehen, wären nicht durch die Ritzen der Türfüllung spärliche Lichtstrahlen nach draußen gedrungen. Der Hauptmann klopfte an, und Gringoire verbarg sich hinter der nächsten Ecke. Ich ging ebenfalls in Deckung und beobachtete über den Rand eines Mauervorsprungs hinweg, wie die Tür mit einem widerspenstigen Knarren aufsprang. Die Tür war niedrig, aber für das verhutzelte Wesen, das eine rostige Lampe in der heftig zitternden Hand hielt, allemal groß genug.

    »Was wollt ihr?« krächzte undeutlich eine Greisenstimme aus einem zahnlosen, von weißem Bartgestrüpp umwucherten Mund. Trotz dieses haarigen Antlitzes schien es sich um ein Weib zu handeln, das den eingefallenen, krummen Leib mit Lumpen und Lappen umwickelt hatte, als könnten sonst Haut und Knochen auseinander fallen.
    »Das Sankt-Martha-Zimmer«, erwiderte Phoebus und drückte ihr eine Münze in die Hand.
    Sofort wandelte sich das misstrauische Antlitz, geheuchelte Unterwürfigkeit trat in das runzlige Affengesicht. »Tretet ein, Monseigneur, und bringt Eure wunderschöne Braut mit. Bei der alten Falourdel soll es Euch an nichts fehlen«, flötete sie mit solchen Grimassen, daß Speichel auf das warzige Kinn troff.
    Während die greise Kupplerin die Tür hinter Mann, Frau und Ziege schloß, spürte ich Empörung darüber, daß sie einer ihrer Lasterhöhlen den Namen der heiligen Martha gegeben hatte, der Gastwirtin des Herrn! Dann aber fiel mir ein, daß die Schutzherrin der Dienstmäg-de und Pfarrhaushälterinnen mit schändlichem Treiben sicher nur allzu vertraut war.
    Vor mir raschelte es, und ein Schatten lief durch die Nacht, um mit der Finsternis zu verschmelzen. Es war Gringoire, der es so eilig hatte, als sei der Satan hinter ihm her. Wahrscheinlich hatte er es nicht länger vor dem Haus ausgehalten, in dem er sein untreues Weib mit ihrem Buhlen wußte. Falls man in diesem Fall, wo die Heirat wie auch die Buhlschaft Maskerade war, überhaupt von Untreue sprechen konnte.
    Der verliebte Narr schien es jedoch so zu empfinden. Er verschwand, und der Lärm der umliegenden Gassen sog seine Schritte auf.
    Gringoire hatte genug gesehen, doch meine Mission war noch nicht beendet. Ich mußte wissen, was la Esmeralda dem Hauptmann entlockte. Konnte ich das feststellen, ließ sich auch herausfinden, ob die Ägypter es ehrlich mit uns meinten. Sorgsam beobachtete ich Falourdels Absteige, bis im Obergeschoß hinter einem von Sprüngen durchzogenen Fenster, das an der rückwärtigen Hauswand zum Fluss hinausging, ein Lichtschein aufblitzte. Das Sankt-Martha-Zimmer!
    Das Obergeschoß lag nicht besonders hoch. Das ganze Gebäu-de duckte sich zusammen, als habe es sich im Laufe vieler Jahre der schrumpfenden Gestalt seiner greisen Besitzerin angepasst. Über einen Abfallhaufen kletterte ich auf das flache, leicht schräge Dach eines Schuppens, der unter dem Zimmer der heiligen Martha lag. Ich drückte mich an die Hauswand und schob mein Gesicht vorsichtig vor, bis ich durch die dreckige Fensterscheibe mit ihrem spinnenwebarti-gen Geflecht von Rissen die undeutlichen Gestalten von Phoebus und der Zigeunerin erspähte. Djali war offenbar in der Obhut der Kupplerin geblieben, und vielleicht trugen die beiden gerade einen Wettstreit um den schönsten Ziegenbart aus.
    Deutlicher, als ich die beiden sehen konnte, hörte ich ihre Stimmen, was bei der Enge der schmutzigen Lasterkammer kein Wunder war. In dem mit einer hölzernen Truhe und einem einfachen Bettgestell spärlich möblierten Raum konnte sich kein Wort verflüchtigen. Phoebus überschüttete la Esmeralda mit Komplimenten, die keinen Fleck ihres schönen Leibes ausließen, von ihrem nachtschwarzen Haar, wie er sich ausdrückte, bis zu den zierlichen Füßen, auf denen sie sich so elegant zu bewegen wisse.
    Ich traute meinen Augen kaum, als

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