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Im Schatten von Notre Dame

Titel: Im Schatten von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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verloren, aber nicht vergessen hatte.
    Kaum ging mir dieser Gedanke durch den Kopf, da sah ich im einsamen Lichtstrahl eines erleuchteten Fensters ihr helles Haar aufleuch-ten. Ich rief ihren Namen.
    Sie blieb stehen, wandte sich zu mir um und zeigte auf einen von Dickicht überwucherten Hügel. »Sie sind da hinauf, in den Wald!«
    »Ich folge ihnen«, keuchte ich. »Benachrichtigt Ihr Villon!«
    Colette schüttelte den Kopf und sah zum Dorf, wo aus allen Gassen die erschreckten Menschen ins Freie drängten. »Da komme ich jetzt nicht durch. Ich bleibe bei Euch.«
    »Das will ich nicht. Es ist zu gefähr …«
    »Ich lasse Euch keine Wahl«, unterbrach sie mich mit einem zwei-deutigen Lächeln und lief flink die Anhöhe hinauf.
    Ich tat, was die Männer zu allen Zeiten getan haben: Ich lief dem Mädchen nach. Bald umfingen uns Bäume und Büsche. Je tiefer wir in den Wald eindrangen, desto leiser wurde der Lärm des in Aufruhr ge-ratenen Dorfes.
    »In welche Richtung laufen wir eigentlich?« fragte ich, als ich Colette eingeholt hatte.
    »Natürlich weg vom Dorf! Wohin sonst?«
    Da stürzte sie. Mit Schrecken dachte ich an die Fallen, die König Ludwig rund um sein Schloß hatte errichten lassen. Nur zu gut erinnerte ich mich an das durchbohrte Huhn. Aber tödliche Fallen so nahe beim Dorf?
    Erleichtert stellte ich fest, daß Colette nur über eine weit aus dem Boden ragende Baumwurzel gestolpert war. Ich reichte ihr die Hand und zog sie hoch. Sie stieß einen spitzen Schrei aus und wäre eingeknickt, hätte ich sie nicht umschlungen. Ich spürte die Wärme ihres vom Laufen erhitzten Leibes, und eine Wolke ihres süßen Duftes hüllte mich ein. Im Verein mit dem schweren Waldgeruch ergab das eine betörende Mischung. Leider blieb mir keine Zeit, sie zu genießen.
    »Mein Knöchel schmerzt«, stöhnte sie. »Ihr müßt die Verfolgung allein fortsetzen.«
    Ich sah in die Richtung, in die wir gelaufen waren, und sagte leise:
    »Wohl kaum. Wozu auch auf die Jagd gehen, wenn das Wild zum Jä-
    ger kommt?«
    Erst jetzt blickte Colette von ihrem schmerzenden Knöchel auf und sah, was sich mir längst enthüllt hatte. Die Männer, denen wir auf den Fersen waren, hatten den Spieß umgedreht und uns in eine Falle gelockt. Sie traten zwischen hohen Ulmen hervor und kreisten uns ein.
    Zwei trugen noch ihre Dämonenmasken. Nur spärlich fiel Mondlicht durch die Baumkronen, aber es genügte, um die Dolche in ihren Händen schimmern zu lassen.
    »Lauft!« fuhr Colette mich an. »Rettet Euch, Armand. Noch könnt Ihr es schaffen!«
    »Ohne Euch, Colette? Niemals!«
    »Sehr rührend«, sagte grinsend ein vierschrötiger Mann, dessen üppiger Schnauzbart seinen Mund fast verdeckte. Mit gezücktem Dolch trat er auf uns zu. »Abélard will nicht von Héloïse lassen, und dafür muß der Dämlack schmerzhaft büßen!«
    Er demonstrierte seine Kenntnis von den Leiden des armen Pierre Abélard, indem er sein Knie hochriss und in meinen Unterleib rammte. Ich schrie auf, krümmte mich und griff unwillkürlich nach der schmerzenden Stelle. Etwas Hartes, wohl sein Dolchknauf, traf meinen Hinterkopf und schickte mich zu Boden.
    Rasender Schmerz kämpfte mit tauber Benommenheit um die Vor-herrschaft in meinem Schädel. Halb bewusstlos lag ich auf dem duftenden Waldboden und kam erst wieder zu mir, als ich Colette schreien hörte.
    Sie lehnte rücklings an einem Baum. Ihr Kleid war bis auf die Hüften heruntergestreift. Vier Männer umstanden sie und glotzten auf das nackte Fleisch ihrer Brüste. In Colettes Zügen war weder Furcht noch Scham oder Abscheu zu entdecken. Vollkommen starr stand sie an der Ulme und ließ es geschehen, daß ein Maskierter die Kleiderfet-zen ganz herunterriss und auch ihren Unterleib entblößte. Nur Colettes geweitete Augen und der Schrei, den ich vernommen hatte, kündeten von dem, was in ihr vorging.
    Ich wollte ihr zu Hilfe eilen, wollte aufspringen, doch ich kam nur taumelnd auf die Beine. Da fiel ein Schatten über mich, und eine knochige Faust bohrte sich in meinen Magen. Ich taumelte zurück und stürzte erneut. Über mir stand der Schnauzbärtige, der mich schon einmal zu Boden geschickt hatte.
    »Kannst es nicht lassen, wie?« Drohend zeigte er mir seinen Dolch.
    »Bleib lieber da hocken und genieß das Schauspiel, ist gesünder für dich.«
    Einer der maskierten Männer ließ seine Hose herunter und drängte sich zwischen Colettes Beine.
    »Nein!« stieß ich hervor. »Nicht … das!«
    »Hätte das Vöglein

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