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Im Schatten von Notre Dame

Titel: Im Schatten von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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der Sache schleunigst ein Ende setzen.«
    Gringoire: »Aber dann müßte die Kathedrale noch heute gestürmt werden …«
    Der andere: »Ganz genau. Ihr und Jehan müßt es schaffen. Wenn die Zigeunerin den Soldaten in die Hände fällt und plaudert, haben wir den König auf dem Hals.«
    Gringoire: »Aber sie hat selbst unter der Folter ihr Geheimnis bewahrt.«
    Der andere: »Weil sie nicht danach gefragt wurde. Jetzt aber schickt der König Truppen nach Paris, Tristan l’Hermite führt sie an.«
    Gringoire: »Meint Ihr, der König ahnt etwas? Dann wäre es das beste, Ihr rammt der Zigeunerhure ein Messer in den Leib.«
    Der andere: »Wie denn, wenn Quasimodo sie beschützt?«
    Gringoire: »Ihr seid der Meister des Buckligen.«
    Der andere: »Damit ist es vorbei, wie ich schmerzhaft erfahren muß-
    te. Also seht zu, daß Clopin Notre-Dame noch heute nacht stürmt! Ich verdopple die Menge Goldes, die ich Euch versprochen habe.«
    Gringoire: »Fein, das verdoppelt meinen Eifer. Wollt Ihr ihn nicht verdreifachen?«
    Der andere: »Meinetwegen. Ich hoffe nur, ich kann mich auf Euch verlassen!«
    Gringoire: »Hoffen und harren macht manchen zum Narren, sagt Ovid. Aber sagt nicht Sophokles, hoffen dürfe man alles?«

    Der andere seufzte: »Das kommt davon, wenn die Leute nicht nur die Heilige Schrift lesen.«
    Gringoire kicherte: »Ein Narr spricht, ein Weiser denkt.«
    Sie traten hinter den Steinfiguren hervor, und ich zog den Kopf noch weiter ein. Wenn sie mich erkannten, konnte das böse Folgen haben.
    Nach allem, was ich erlauscht hatte, durften sie es sich nicht leisten, mich laufenzulassen.
    Da ich sie nicht sehen konnte, horchte ich auf ihre Schritte und hielt den Atem an. Erst als ich sicher war, daß sie das Gotteshaus verlassen hatten, atmete ich auf. Ich wartete noch eine halbe Stunde, damit keiner der beiden mich aus der Kirche treten sah, dann eilte ich in den Tempelbezirk, denn was ich soeben mit angehört hatte, bot Anlass zu größter Besorgnis.
    »Armand, seid Ihr sicher, daß er es war?« fragte mein Vater, als ich ihm und Leonardo in Villons unterirdischer Kammer berichtet hatte, wer bei Gringoire gewesen war.
    »Ganz sicher«, antwortete ich. »Ich habe die Stimme zu oft gehört, um mich zu täuschen. Außerdem erklärt das, weshalb Gringoire auf dem Domplatz herumlungerte. Er wartete nicht auf mich, sondern auf …«
    »Dom Frollo!« schnaubte Leonardo. »Immer wieder er. Wir hätten ihm längst einen Dolch zwischen die Rippen jagen sollen.«
    »Das hat Gringoire ihm in Bezug auf Sita auch empfohlen«, entgegnete ich. »Eure Methoden scheinen sich von denen der Dragowiten nicht wesentlich zu unterscheiden.«
    Der Italiener warf mir einen tadelnden Blick zu. »Nicht die Methoden sind wichtig, sondern das Ergebnis.«
    »Wahr gesprochen, Bruder Leonardo. Wenn die Gauner und Bettler tatsächlich Notre-Dame stürmen, wird Frollo die Gelegenheit nutzen, sich der Zigeunerin zu bemächtigen.«
    »Damit sie für ihn nach dem Sonnenstein sucht?« fragte Leonardo.

    »Natürlich. Und weigert sie sich … nun, Armand hat eben gesagt, was dann mit ihr geschieht.« Villon saß vor seinem Schachspiel und schob zwei schwarze Bauern über die Felder, bis sie im weißen Lager standen. »Pierre Gringoire und Jehan Frollo. Letzteren hatten wir im Verdacht, ein Spion seines Bruders zu sein. Aber bei Gringoire bin ich überrascht, er hat die Rolle des verliebten Narren glänzend gespielt.«
    »Wir haben verdammt gut daran getan, ihm unser Quartier nicht zu verraten«, sagte Leonardo mit versteinertem Gesicht. »Sonst hätten die Dragowiten uns längst ausradiert!«
    »Phoebus de Châteaupers hatte weniger Glück«, bemerkte ich. »Jetzt ist mir klar, daß Gringoire seiner Angetrauten nicht aus Eifersucht folgte, als sie sich mit dem Hauptmann traf. Er hat die beiden an Dom Frollo verraten und wohl auch die Scharwache alarmiert. Selten war ein buntgescheckter Narr so gefährlich.«
    »Wir sind jetzt gewarnt und werden die Wachen verdoppeln«, sagte Villon. »Wichtig ist, daß wir auch Mathias und seine Tochter warnen.
    Leonardo wird sofort zum Wunderhof gehen und den Herzog unterrichten. Vielleicht kann Mathias seinen Kreuzbruder Clopin von der Wahnsinnstat abbringen. Und Armand muß Sita benachrichtigen.«
    »Was nützt ihr das?« fragte ich. »Sie kann die Kathedrale nicht verlassen, ohne von den Scharwächtern ergriffen zu werden.«
    »Sie muß es versuchen. Wenn das Parlament das Asylrecht aufhebt, ist sie ohnehin

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