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Im Schatten von Notre Dame

Titel: Im Schatten von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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Gerade zum Dreikönigsfest gibt’s in Paris mehr Fremde als Bürger. Nun geht doch!«
    Mit sanfter Gewalt schob er mich nach draußen in den Regen und schlug sogleich die Tür zu. Ich hörte das Schaben des eilig vorgescho-benen Riegels. Die Tür war fest verschlossen, was mich betraf, für immer.
    Ich stemmte mich gegen den Sturm und wankte zurück zur Cité-Insel. Der Wind hatte an Heftigkeit zugenommen, und die stampfenden Mühlräder unter der Brücke schleuderten noch mehr Wasser auf als zuvor, bespritzten mich damit wie zum Hohn. Ich glaubte, schattenhafte Gestalten hinter mir zu bemerken, sah aber nichts, als ich mich umdrehte. Es waren wohl sturmgepeitschte Regenschwaden gewesen.
    Wer war auch so dumm, sich bei diesem Unwetter auf der Müller brük-ke herumzutreiben? Nur ich!
    In einer Weinschenke am Brückenkopf vertrieb ein Becher würzigen Glühweins mein Frösteln, erhitzte meinen Leib und mein Blut. Ich em-pörte mich über diesen schäbigen Pfandleiher, der mich nicht nur hin-ausgeworfen, sondern mich auch angelogen hatte. Er hatte vom Dreikönigstag gesprochen, nicht ich. Wie konnte er wissen, wann ich ihm die Geldkatze gebracht hatte, wenn er sich dessen gar nicht entsann?
    Mehr noch, nach seinen Worten wußte er auch, daß er die Börse zum Dreikönigstag wieder herausgegeben hatte. Und wenn er sich daran erinnerte, dann wußte er auch, an wen!
    Vom Wein beflügelt, stürzte ich zurück auf die Brücke und war fest entschlossen, nicht eher Ruhe zu geben, als bis Ebrard mir die Wahrheit sagte. Und wenn ich die verriegelte Tür aufbrechen mußte!
    Aber das brauchte ich nicht. Die Tür war angelehnt. Als ich sie aufstieß, sah ich, daß mir jemand zuvorgekommen war. Der Riegel war aus der morschen Halterung gebrochen und lag auf dem Boden. Ich erinnerte mich der Schatten, die ich beim Verlassen der Pfandleihe flüchtig wahrgenommen hatte. Was ich jetzt sah, bestätigte meinen schlim-men Verdacht.
    Ebrard hatte Besuch von fünf Männern und befand sich in einer höchst unerquicklichen Lage. Ein wahrer Bär von einem Mann hatte die Arme um ihn geschlungen und Ebrards Leib nach hinten ge-krümmt, als wolle er dem Pfandleiher das Rückgrat brechen. Die Ölfunzel stand auf dem hölzernen Ladentisch und beleuchtete die gespenstische Szene. Deutlich sah ich die vier anderen Männer mit harten, entschlossenen Gesichtern. Zwei hielten lange Dolche in Händen, einer einen Degen, der vierte eine Axt.
    »Ich weiß nicht, wer er war, und ich habe ihm nichts verraten«, stöhn-te Ebrard mit schmerzverzerrtem Gesicht. Schweißperlen sprenkelten seine furchige Stirn.
    »Was genau wollte er wissen?« fragte barsch der Mann mit dem Degen, in dem ich den Anführer der Bande vermutete. »Rede schon, alter Schwachkopf, oder …«
    Die Drohung blieb unvollendet, denn die rüden Kerle hatten mich bemerkt und fuhren zu mir herum. Der mit dem Degen schien ein erfahrener Fechter zu sein, davon zeugten einige Narben in seinem Gesicht. Das schmale Grinsen, zu dem sich seine Lippen bei meinem Anblick verformten, wirkte wie eine weitere Narbe.
    »Da haben wir ihn ja, den neugierigen Tintenkleckser. Soll er uns die Fragen selbst beantworten!«
    Und schon kam er auf mich zu, den Degen stoßbereit erhoben. Da ich keine Lust verspürte, mich durchbohren zu lassen, sprang ich zu-rück, rutschte aber auf der glitschigen Brücke aus und schlug der Län-ge nach hin.
    Mit meinem Rückzug hatte der Narbengesichtige wohl gerechnet, nicht aber mit meinem ungeschickten Sturz. Er stolperte über mich und ging ebenfalls zu Boden. Die Degenklinge zersprang dicht unterhalb des Stichblatts mit einem durchdringenden Klirren.
    Vor Wut knurrend, mehr Tier als Mensch, erhob er sich, um mit dem Überrest der Klinge auf mich einzustechen. Auch ich war aufgesprungen, nahm allen Mut zusammen, packte mit beiden Händen seinen Waffenarm und drehte ihn herum. Vermutlich hatte er solche Kühnheit von einem Tintenkleckser nicht erwartet, und nur deshalb gelang mir der Streich.
    Der Kerl lief in seine eigene Waffe; der Klingenrest bohrte sich in die linke Brustseite, direkt ins Herz. Blut sprudelte hervor, während der Mann mit einem letzten Fluch zu Boden sank. Zitternd ließ ich seinen Arm los und sah auf den Sterbenden hinab.
    Rufe und lautes Poltern rissen mich aus der Erstarrung, und ich blickte durch die offene Tür. Ebrard hatte sich zu befreien versucht, doch der Mann mit den Bärenmuskeln hatte sein Werk vollenden können. Mit gebrochenem Blick lag der

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