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Im Schatten von Notre Dame

Titel: Im Schatten von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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Leben!«
    War sein Antlitz wirklich noch von Besorgnis erfüllt? Oder war es eher ein prüfender Blick? Wußte er, daß ich erst gestern getan hatte, was er mir nun riet? Wenn auch nicht, um mich zu amüsieren.
    »Gewiß, Ihr habt wohl recht, Monseigneur«, stammelte ich.
    »Die Kometen mögen ein großes Geheimnis bergen, mögen so alt sein wie die Welt selbst, sind vielleicht aus demselben Stoff geformt, aber sie sind nicht alles. Ihr solltet Euch nicht zu sehr zu Herzen nehmen, was Gringoire über ihre unheilvolle Wirkung zusammengetragen hat, Monsieur Sauveur.«
    »Wie meint Ihr das?«
    »Vielleicht bringen die Kometen Unheil, folgte der Schwarze Tod von Sechsundsechzig nicht zufällig dem Jahr des Kometen, aber auch ohne sie geschieht genug Schlimmes. Habt Ihr nicht gehört, daß schon wieder drei Morde geschehen sind, in unmittelbarer Nähe von Notre-Da-me? Aber wie solltet Ihr auch, wenn Ihr mit den Kometen beschäftigt seid.«
    »Hat der Schnitter wieder zugeschlagen?« erkundigte ich mich vorsichtig.
    »Die Polizei kennt den Täter nicht, wie üblich. Doch hat der Mörder seinen Opfern diesmal nicht die Kehle durchgeschnitten, und auch von Spielkarten hörte ich nichts. Man sagt, die drei angesehenen Herren wurden am Ufer niedergestochen, zwischen der Kathedrale und dem Hôtel-Dieu. Weiß der Himmel, was sie dort suchten.«
    Dieser Heuchler! Er wußte doch am besten, daß sie nur das gefunden hatten, was sie mir hatten bringen wollen: den Tod. Am liebsten hätte ich es ihm ins Gesicht geschrien. Aber ich bezwang mich und dachte mir, daß es vielleicht genau das war, was Frollo wollte. Wenn er den Lauscher nicht erkannt, mich aber im Verdacht hatte, war dies die Prüfung, die ich bestehen mußte.
    »Wer waren die Toten?« fragte ich in einem Tonfall, der nicht mehr als übliche Neugier verriet.
    »Ihr dürftet sie kaum kennen. Maître Denier, einer der vier vereidigten Universitätsbuchhändler, der Schreiber am Châtelet, Charles Mouron, und schließlich Maître Overt, der Oblat bei den Zölestinern war.«
    »Wie der tote Maître Avrillot«, entfuhr es mir.
    Frollo nickte und fragte: »Glaubt Ihr an einen Zusammenhang, Monsieur Sauveur?«
    »Ich weiß nicht, es fiel mir nur auf.« Ich wollte ihm keine genauere Antwort geben, weil ich in eine Falle zu tappen fürchtete. »Fragt das lieber Leutnant Falcone.«
    »Er weiß es auch nicht. Ich traf ihn eben auf dem Vorplatz, und er berichtete mir von den schrecklichen Morden.«
    »Die sind vielleicht ein Grund, Euren Rat, durch die Gassen zu streifen, nicht zu befolgen, Dom Claude.«
    »Auch die Mauern von Notre-Dame schützen nicht vor einem gewaltsamen Ende. Denkt nur an den armen Odon!«
    Mit dieser Warnung verließ mich Frollo, und ich fragte mich, ob ich seine Worte als mehr, als Drohung, aufzufassen hatte. Und warum hatte er die tödlichen Pfeile nicht erwähnt und die Templerkutten? Vielleicht hatten die anderen Weißkutten, und Frollo mit ihnen, diese Spuren beseitigt. Ich legte ein paar Holzscheite nach, aber die Kälte wollte sowenig aus meinen Gliedern weichen wie das Zittern, das ich beim Blättern im Kometenbuch an meinen Händen bemerkte. Dort, das war die Stelle, die ich aufgeschlagen hatte, als Frollo so unvermittelt eintrat.
    Ich begann zu lesen:

    Nicht arm an Ereignissen war das Jahr des Herrn 1465. Der Graf von Charoláis, später Karl der Kühne genannt, schloß ein Bündnis mit abtrünnigen Prinzen, das sich frevlerisch die Liga des Öffentlichen Wohls nannte. Unter diesem heuchlerischen Banner zog man gegen unseren guten König Ludwig, der auf dem Feld der Tränen, nahe Montlhéry, wacker ihrem Ansturm standhielt und mit Gottes Hilfe die Mauern von Paris verteidigte. Es gelang ihm sogar, siebenhundert Fässer Mehl für die hungernden Bürger der Stadt durch die Reihen der Belagerer zu bringen. All dies, so wird gesagt, habe der König nur durch Gottes Macht vollbringen können, deren leuchtendes Zeichen als Komet über die Himmel fuhr.
    Wenn nun aber der Komet ein Glücksbote war, muß der von ihm in den Wahnsinn getriebene Mann vom Bösen besessen gewesen sein.
    Und was der Wahnsinnige äußerte, bekräftigt diese Schlussfolgerung.
    Der Unglückliche war ein Mann Gottes, ein Geistlicher, einst Beichtvater hoher Herren und Primus von Saint-Benoît-le-Bétourné.
    Dann aber hatte er den rechten Pfad verlassen und war jener Irrlehre gefolgt, deren Anhänger man Albigenser oder auch Katharer nennt.
    Das allein zeigt schon seinen Wahnsinn.
    Nun

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