Im Schloss der Traeume
tätig waren.
Einer von ihnen, ein alter Herr namens Bruno Nardi, erzählte ihr stolz, dass er das Handwerk von seinem Vater erlernt hatte, der es wiederum von seinem Vater gelernt hatte. Sowohl sein Vater als auch sein Großvater hatten bereits an der Werkbank gesessen, an der Bruno Nardi die zerbrechlichen Serviceteile und Vasen bemalte. Die Muster waren von Generation zu Generation weitergegeben worden, und Bruno stellte bedauernd fest, dass die Tradition mit ihm aussterben würde. Sein Sohn wollte nämlich ins Bankgewerbe gehen.
Einerseits ging Carrie völlig in ihrer Arbeit auf und war glücklich über den Verlauf. Ihr Buch würde etwas ganz Besonderes werden, weil die vielen Informationen aus erster Hand ihm eine ganz persönliche Note verliehen und die Schilderungen es lebendiger machten. Sie stellte fe st, dass ihre Begeisterung von Tag zu Tag wuchs.
Andererseits ertappte Carrie sich jedoch oft dabei, dass sie gar nicht richtig bei der Sache war, wen sie ständig an Leone denken musste.
Das geschah immer dann, wenn sie überhaupt nicht damit rechnete - so zum Beispiel, wenn sie sich gerade über ein besonders schönes Stück im firmeneigenen Museum beugte. In diesen Momenten nahm sie weder die erstaunliche Lichtdurchlässigkeit noch das wunderschöne Dekor des Porzellans wahr, sondern dachte an etwas wesentlich Prosaischeres, nämlich daran, wie wundervoll es gewesen war, Leone zu küssen.
Allerdings musste sie sich eingestehen, dass dies nicht der passende Ausdruck war.
Leone zu küssen war sehr aufregend gewesen, und so etwas hatte sie noch nie erlebt.
Noch nie im Leben hatte sie sich so wundervoll gefühlt. Kein Wunder, dass es sie so durcheinandergebracht hatte!
Es war merkwürdig. Immerhin war sie schon vierundzwan-zig, und es war das erste Mal, dass ein Mann eine derartige Wirkung auf sie ausübte. Natürlich hatte sie sich vorher schon zu einigen Männer hingezogen gefühlt und Freunde gehabt, deren Küsse ihr gefallen hatten. Das war aber .auch alles gewesen.
Leones Küsse brachten sie um den Verstand.
Carrie seufzte. Es lag eindeutig daran, dass sie kaum Erfahrungen mit Männern gesammelt hatte. Leone hatte ihr vorgeworfen, sie würde lediglich Befriedigung in ihrer Arbeit suchen, aber das stimmte nicht. Es war durchaus möglich, dass sie ihr Liebesleben in den letzten Jahren zugunsten ihrer Karriere etwas vernachlässigt hatte.
Doch sobald sie dem Richtigen begegnete, würde es sich ändern.
Sie lächelte ironisch. Leone war ganz bestimmt nicht der Richtige für sie.
Sicher übte er eine verheerende Wirkung auf sie aus. Allerdings gab es keine gemeinsame Zukunft für sie. Leone war ein Graf und außerdem ein Playboy, sie, Carrie, dagegen eine Karrierefrau mit altmodischen Vorstellungen von der Liebe.
Ihre Eltern hatten sie in dem Bewusstsein erzogen, dass die Liebe kein Spiel war. Man begann keine Affäre, um ein bisschen Spaß zu haben. Sex ohne Liebe war Carries Meinung nach undenkbar. Es war unehrlich-und, davon abgesehen, viel zu riskant.
Daher würde es bei dem Kuss bleiben, so schade sie es auch fand.
Sobald sie zu dem Entschluss gekommen war, ging es ihr schon wesentlich besser. Sie schämte sich zwar nach wie vor ihrer Phantasien, sagte sich aber, dass es nur eine vorübergehende Phase war.
Seit dem Abendessen im Palazzo Verde hatte Carrie nichts mehr von Leone gehört.
Was ihr persönliches Verhältnis zuein-arider betraf, überraschte es sie nicht.
Schließlich hatte er so viele Freundinnen, dass er keine weitere brauchte. Was sein Versprechen anging, so machte sie sich allerdings Sorgen.
Ob er noch einmal mit seinem Bruder geredet hatte? Wieder kamen ihr Zweifel, und sie überlegte, ob sie Leone anrufen und ein bisschen unter Druck setzen sollte. Doch womöglich dachte er dann, sie wollte etwas ganz anderes von ihm.
Da brauchte er sich keine falschen Hoffnungen zu machen. Bei einem anderen Mann hätte sie es getan, denn es war rein geschäftlich. Und sie wäre verrückt gewesen, wenn sie die Angelegenheit nicht klärte, nur weil sie; Leone einmal erlaubt hatte, sie zu küssen.
Noch am selben Tag rief sie ihn an. „Ich möchte gern mit Graf Leone sprechen", sagte sie zu dem Mann, der sich meldete. Offenbar handelte es sich um Leones Privatsekretär.
„Einen Moment bitte", erwiderte Pierre auf englisch und lächelte dabei in sich hinein.
Das war doch die Amerikanerin, die er für seinen Boss ausfindig gemacht hatte! „Ich werde nachsehen, ob Graf Leone zu sprechen
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