IM SCHLOSS DES FRANZÖSISCHEN MILLIONÄRS
an mich rangemacht hat?“
„Willst du der Frage ausweichen?“
„Am liebsten schon.“
„Also hat er es gemacht.“ Raine hakte sich bei Charlotte unter und führte sie mit sanftem Druck durch ein hölzernes Tor in den Garten, wo sie sich auf zwei Stühle setzten. „Und, hast du Nein gesagt?“ Raine lächelte verschwörerisch.
„Nicht direkt.“
„Was? Du hast Ja gesagt?“
„Eigentlich habe ich gar nichts gesagt.“
„Oh Gott. Ihr beide habt …“
„Nein!“, rief Charlotte. Dann senkte sie die Stimme. „Das haben wir nicht.“
„Ich verstehe nicht ganz.“
„Wir haben uns geküsst.“ Charlotte lehnte sich im Stuhl zurück. „Wir haben uns geküsst und nichts weiter.“
„Warum ist er dann so wütend auf dich?“
„Na, weil die Filmcrew euren Vorplatz ruiniert hat.“
„Glaub mir, ein kaputter Vorplatz treibt Alec nicht zur Raserei. Und was hatte das andere überhaupt zu bedeuten? Dass Jack ihn schlagen sollte?“
„Das ist mir auch ein Rätsel“, erwiderte Charlotte und war froh, das Thema mit dem Kuss abhaken zu können. „Schlägt Alec denn Leute zusammen, die dich anschreien?“
„Mich hat noch nie jemand angeschrien. Jedenfalls nicht in Alecs Gegenwart.“ Sie dachte einen Augenblicklich lang nach. „Eigentlich neigen die Leute sowieso nicht dazu, mich anzuschreien.“
„Weil du so nett und liebenswürdig bist“, kommentierte Charlotte und meinte das sogar ernst.
„Oder weil ich einen Pitbull zum Bruder habe. Auch wenn ich das bisher noch gar nicht wusste.“
Charlotte lachte. „Ach, du meinst, er hat solche Leute immer von dir ferngehalten?“
„Wer weiß? Aber zurück zum Kuss. Du musst mir alles darüber erzählen.“
„Da gibt es nichts zu erzählen“, flunkerte Charlotte. Dabei war es ein Kuss gewesen, der einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde verdient hätte. Und seitdem war sie Alec aus dem Weg gegangen.
„Wie ist es dazu gekommen? Wo wart ihr?“
„Wir standen auf dem Balkon eines Hauses, das wir besichtigt haben.“
„Und dann hat er dich einfach so geküsst?“
„Er dachte, ich würde weinen.“
Raine runzelte die Stirn. „Da kann irgendwas nicht stimmen.“
„In Wirklichkeit habe ich ja auch gelacht.“
„Alec verteilt keine Trost- oder Mitleidsküsse.“
„Du weißt alles über seine Küsse, wie?“
„Sagen wir so: Ich habe einiges darüber gehört.“
„Na, von mir wirst du darüber jedenfalls nichts mehr erfahren.“ Seufzend erhob sich Charlotte. „Ich werde jetzt mal lieber die Filmarbeiten beaufsichtigen. Alec hat ja recht, ich wollte mich um alles kümmern.“ Sie warf Raine einen bedauernden Blick zu. „Ich schätze, unsere lustigen Zeiten sind vorbei.“
Raine schüttelte den Kopf. „Ich werde mal ein Wörtchen mit meinem Bruder reden.“
„Das tust du nicht“, protestierte Charlotte. „Ich habe eine Aufgabe, und die werde ich auch erfüllen.“
„Aber du musst den Leuten doch nicht vierundzwanzig Stunden am Tag auf die Finger sehen“, sagte Raine. „Ich lasse nicht zu, dass er dich hier wochenlang wie eine Gefangene hält.“
„Ich rede mit ihm“, sagte Charlotte bestimmt. „Später.“ Erst mal wollte sie ihm Gelegenheit geben, sich zu beruhigen. Dann würden sie sich ganz sachlich über ihre Aufgabe auseinandersetzen. Sie war ihm gegenüber eine Verpflichtung eingegangen, und die würde sie auch einhalten.
5. KAPITEL
Die Dreharbeiten endeten um zwanzig Uhr. Alec hatte sich das Abendessen in sein Arbeitszimmer bringen lassen, weil er seine schlechte Laune nicht auf andere übertragen wollte. Er hatte sein Schloss als Film-Location zur Verfügung gestellt – was ganz offensichtlich eine dumme Entscheidung gewesen war, aber jetzt musste er dazu stehen.
Alles war nicht gerade so gelaufen, wie er es sich erhofft hatte, aber so war das Leben. Am nächsten Morgen würde er nach Tokio fliegen. Es gab noch einiges zu klären, damit das neue Fahrrad-Sortiment auf dem Markt einen guten Start hinlegte. Vielleicht würde er auch einen Abstecher nach Neu-Delhi machen und mit der High-Tech-Abteilung konferieren.
Außerdem gab es jede Menge gesellschaftlicher Ereignisse, an denen er teilnehmen konnte. Vielleicht lernte er ein nettes, nicht allzu attraktives Mädchen kennen und ließ sich mit ihm fotografieren. Das würde Kiefer sicher freuen. So war immerhin einer glücklich.
Es klopfte an seiner Tür.
„ Oui , Henri?“
Die Tür öffnete sich einen Spalt.
„Ich bin es. Charlotte.“
Na wunderbar.
Weitere Kostenlose Bücher