IM SCHLOSS DES FRANZÖSISCHEN MILLIONÄRS
Großvater brauchte nichts davon zu wissen. Niemand brauchte davon zu erfahren. Falls Alec kein totaler Schuft war – und so dachte sie nun wirklich nicht über ihn –, würde dieses Intermezzo für immer ihr Geheimnis bleiben.
„Wie lange arbeitest du schon für den Botschafter?“, fragte Alec. Offenbar wollte er das Thema nicht weiter vertiefen.
„Schon seit ich ein Teenager war“, antwortete sie. „Erst habe ich ihm ein bisschen mit Bürokram geholfen. Dann, nach meinem Studium, bin ich voll eingestiegen. Und als seine Chefassistentin gekündigt hat, weil sie heiraten wollte, habe ich als Vertretung ihren Job übernommen.“
„Wann war das?“
„Vor drei Jahren. Kurz bevor ich dich zum ersten Mal getroffen habe.“
„Aha.“ Er nickte. „Rom. Du hättest damals meine Schlüsselkarte annehmen sollen.“
„Genau. Dann wäre ich auf den Titelseiten gelandet, hätte meine Familie brüskiert und wäre meinen Job los gewesen.“
„Aber doch nur, wenn es ganz schlimm gekommen wäre.“
„Nein. Das wäre das Wahrscheinlichste gewesen. Jawohl – du hättest damals um ein Haar meine Existenz ruiniert.“
„Dann ist es doch gut, dass wir gewartet haben.“ Zärtlich gab er ihr einen Kuss auf die Stirn. „Ganz ehrlich, ich bin sehr, sehr froh, dass wir gewartet haben.“
Charlotte wusste nicht, was sie sagen sollte. Es klang, als hätten sie bewusst gewartet, als hätte es eine Art stiller Übereinkunft zwischen ihnen gegeben, als ob sie in den drei Jahren dazwischen noch aneinander gedacht hätten. Hatte er nach dem Zwischenfall in Rom wirklich noch einen Gedanken an sie verschwendet? Konnte er sich überhaupt noch richtig an sie erinnern, nach all den Frauen, die er in der Zwischenzeit kennengelernt haben musste?
Lass es gut sein, sagte sie sich. Mach nicht mehr daraus, als es ist.
„Hat Kiefer immer noch Angst, dass es Gerüchte um dich und Isabella geben könnte?“, fragte sie.
„Scheinbar haben wir in Ridley Sinclair einen unfreiwilligen Verbündeten.“
„Tatsächlich?“ Charlotte hatte den Mann noch nie persönlich getroffen.
„Nach allem, was ich gehört habe, hat er bei jedem Film eine Affäre mit der Hauptdarstellerin.“
Das war ja interessant. „Und er wohnt in der Villa, in der auch Isabella untergebracht ist?“
Alec nickte. „So ist es.“
„Meinst du, dass sie was miteinander anfangen?“
„Es wird gemunkelt, dass das schon passiert ist“, antwortete Alec. „Es könnte allerdings sein, dass Kiefer dieses Gerücht in Umlauf gebracht hat.“
Charlotte lachte auf. „Dieser Kiefer wird mir immer sympathischer.“
„Halt dich bloß von ihm fern.“ Die Ermahnung kam so barsch und abrupt, dass Charlotte Alec fragend ansah.
„Was meinst du damit?“
„Ich meine, dass Kiefer mit Frauen umzugehen weiß.“
„Du etwa nicht?“ Amüsiert sah sie an sich hinunter, nackt, wie sie dalag, und ließ ihren Blick über die völlig zerwühlten Laken wandern. Wenn sie sich vor jemandem in Acht nehmen musste, war es definitiv Alec.
„Wie ich gehört habe, kommt morgen dein Vater“, merkte Alec an und wechselte damit das Thema. Ihr war es nur recht.
„Lars hat wohl noch ein paar Tage mit den ersten Aufnahmen zu tun“, sagte sie. „Aber parallel sollen schon Proben für die Hauptszenen stattfinden.“
„Macht dich das nervös?“
„Die Hauptszenen?“ Wahrscheinlich würde es im Schloss noch mehr drunter und drüber gehen. Aber das war abzusehen gewesen.
„Nein, dass du mit deinem Vater zusammentriffst. Ist das noch schlimmer für dich, als Jack zu sehen?“
„Das ist was ganz anderes“, erwiderte Charlotte und deckte sich mit dem Laken zu. Von draußen kam ein kühler Wind herein.
Alec hob die Bettdecke vom Boden auf und deckte sie beide damit zu.
„Danke.“ Die Wärme tat ihr gut.
„Was ist nun mit deinem Vater?“, hakte Alec nach.
„Das ist schwer zu erklären“, setzte sie zu einer Antwort an. „Mir ist von klein auf klar gewesen, dass David ein schlechter Vater war. Selbst als meine Mutter noch gelebt hat – er ist nie da gewesen. Als sie dann gestorben ist, bin ich unbewusst immer davon ausgegangen, dass Jack für mich sorgen würde.“
„Wie alt war er damals?“
„Neun. Aber schon damals schien er alles zu wissen, alles zu können. Er machte mir Sandwiches und las mir Gutenachtgeschichten vor.“
„Und dann … hat er dich im Stich gelassen.“
„Das kann man so nicht sagen.“ Sie wusste, dass das alles nicht seine Schuld war.
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