Im Schutz der Nacht
gelegentlich fallenden Schüsse sollten sie nur ermahnen, in Deckung zu bleiben. Vielleicht hatte Creed beschlossen, es genauso zu halten.
Nein, die Deckung des Fahrzeugs, Teague war ziemlich sicher, dass sie sich hinter einem Auto versteckten, war zu klein und bot keinen Schutz vor der Kälte, keine Nahrung, kein Wasser. Creed würde sich in Bewegung setzen, aber er war ein geduldiger Bastard, viel geduldiger, als Teague je gedacht hätte.
Der Minutenzeiger auf seiner Armbanduhr rutschte einen Strich weiter, dann noch einen und noch einen. Fünfzig Minuten seit der Explosion. Er konnte genauso viel
Geduld aufbringen, dachte Teague, sogar noch mehr, weil er wusste, dass sie sich dort versteckt hatten.
Dreiundfünfzig Minuten.
Ja. Da! Die Wärmequelle erfüllte sein Visier, klar und deutlich, beide liefen dicht geduckt weiter. Er atmete tief ein, halb wieder aus und drückte den Abzug, gerade als die beiden glühenden Gestalten zu verschwinden drohten.
Einen Sekundenbruchteil später erschien in der unteren Hälfte seines Visiers ein greller Blitz, und der Fels vor ihm zersplitterte in tausend Stücke, die ihm ins Gesicht jagten.
19
Noch während Creed mit Neenah durch die Luft segelte, hörte er das Knallen des Gewehrs und spürte, wie etwas über dem Knöchel gegen sein Bein schlug. Im nächsten Sekundenbruchteil hörte er ein tiefes, kehliges BUMMMM!, und beide landeten ungebremst auf dem Boden hinter dem Pumpenhaus. Sie kamen so hart auf, dass Neenah aus seinen Armen gerissen wurde und von ihm wegrollte. Sein Bein fühlte sich an, als hätte es ein Riese mit einem Hammer zertrümmert, und ein tiefes qualvolles Stöhnen presste sich durch seine Kehle und zwischen den zusammengebissenen Zähnen hindurch. Instinktiv rollte er sich zusammen und griff nach seinem Bein, obwohl er Angst davor hatte, was er entdeckte. »Scheiße! Fuck!«
Schon jetzt konnte er spüren, wie sich unter dem klebrigen Hosenbein der Stiefel mit nassem, warmem Blut zu füllen begann. Leicht überrascht, dass sein Fuß noch am Bein hing, presste er mit aller Kraft die Hand auf die Wunde. Er hatte so viele durch hochkalibrige Waffen hervorgerufene Wunden gesehen, hatte Zusehen müssen, wie Arme und Beine weggesprengt wurden, und war im ersten Moment, nachdem er begriffen hatte, dass er getroffen worden war, vor allem wütend, aber auch eigenartig neugierig, was ihn wohl erwarten würde. Obwohl sich sein Fuß immer noch am Ende seines Beines befand und nicht mehrere Meter von ihm entfernt auf dem Boden lag, war es möglich, dass er schwer getroffen worden war, niemand konnte sagen, was Creed vorfinden würde, wenn er seinen Stiefel erst weggeschnitten hatte.
Der Stiefel verhinderte, dass er den Blutfluss abdrücken konnte; er musste weg, und zwar schleunigst.
Neenah kam auf ihn zugekrabbelt und tastete seine Brust und Schultern ab. »Joshua? Ist alles in Ordnung? Was ist passiert?«
»Fuck ... das Arschloch hat mein linkes Bein erwischt«, presste er unter Schmerzen hervor, dann verschaffte sich sein Gewissen eindringlich flüsternd Gehör. »Äh ... Verzeihung.«
»Ich habe solche Wörter schon öfter gehört«, meinte sie ungerührt. »Ein- oder zweimal habe ich sie sogar selbst verwendet. Wo ist die Taschenlampe?«
»In meiner rechten Tasche.« Er ließ sich auf den Boden sinken, angelte in seiner Hosentasche herum und förderte Taschenlampe und Taschenmesser zutage. »Du musst meinen Stiefel aufschneiden, damit ich die Wunde abdrücken kann.«
»Das übernehme ich.« Beide zuckten erschrocken zusammen, als sie von hinten eine dritte Stimme hörten.
Creeds rechte Hand fasste automatisch nach einer Waffe, die nicht an seinem Gürtel hing; dann ging eine dunkle Silhouette neben ihm auf ein Knie nieder und bespritzte sie dabei mit Wasser. Creeds Unterbewusstsein erinnerte sich an den zweiten Schuss, den er gehört hatte, das tiefe Dröhnen, und plötzlich fügte sich eines zum anderen. »Du durchtriebener Hurensohn, wo hast du gesteckt?«
»Im Bach.« Cals Zähne klapperten vor Kälte. Er legte seine Flinte auf den Boden, griff nach Greeds Messer und reichte Neenah die kleine Taschenlampe. »Du musst auf seinen Fuß leuchten«, wies er sie an, Neenah gehorchte sofort.
»Warum hat dich der Schütze nicht entdeckt?«, fragte Creed.
»Ich schätze, sie haben Infrarot-Zielfernrohre und keine Nachtsichtgeräte; weil sie ihre Ziele nur innerhalb des Wirkungsbereichs einer Infrarot-Optik anvisieren. Darum habe ich dafür gesorgt, dass
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